Jungs trauen sich offenbar nur im Rudel rein. Jedenfalls tauchen sie auf den Monitoren, die uns einen Blick in die Flure über uns gewähren, meist zu mehreren auf. Wir stehen in einer Art Hausmeister-Büro, gelegen im Erdgeschoss eines Bordells im Frankfurter Bahnhofsviertel, und sehen mittels Überwachungskameras ein paar Kerlen mit tiefhängenden Jeans und Baseballkappe zu, wie sie über uns von Stockwerk zu Stockwerk, von Zimmer zu Zimmer laufen (daher die Bezeichnung “Laufhaus”). Sie glotzen, feixen, gehen weiter. Später werden sie sich vor ihren Kumpels mit ihrem Puffbesuch dick tun. Aber eigentlich sind sie nur hier, um die Prostituierten zu begaffen, die spärlich bekleidet auf Barhockern sitzen oder an der geöffneten Tür ihres Zimmers lehnen. Das Geschäft läuft offensichtlich schleppend. Es ist noch früh am Abend. Nachts ist hier ein bisschen mehr los – und mittags, wenn man ringsherum in den Büros, Agenturen und Banken pausiert. “Einblick in das älteste Gewerbe der Welt” verspricht die vierstündige Führung durch das Frankfurter Rotlichtviertel – Gespräche mit Gewerbetreibenden inklusive. Weiterlesen →
Frankfurt
Lieblingsorte: Das Turmzimmer der Weißfrauenkirche
Das Bahnhofsviertel ist einer der kleinsten Stadtteile Frankfurts: Ein gutes Dutzend Straßen, schachbrettartig gezogen auf kaum mehr als einem halben Quadratkilometer, und doch so laut und lebendig, so vielfältig und verrufen wie kein anderes Quartier. Dass auf diesem überschaubaren Fleckchen die ganze Welt zuhause ist, hört sich an wie ein ausgeleiertes Klischee. Aber mit 180 vertretenen Nationen hält es der Wirklichkeit einigermaßen stand.
Hier gibt es alles. Gemüsehändler stopfen ihre Auslagen voll mit exotischen Lebensmitteln. Restaurants bieten Spezialitäten aus allen Kontinenten. Alims Fisch verkauft sich so gut, dass er nach Bockenheim und ins Ostend expandieren konnte. Es gibt türkische Friseure, Hotels jeder Preisklasse, Werbeagenturen, Striplokale, Künstlerateliers, romantische Dachterrassen, Tanzschuppen, Bars, Fixerstuben, eine Freimaurerloge. Und mittendrin sogar eine Mönchszelle. Weiterlesen →
Lieblingsorte: Goetheturm, mein Ausguck über Frankfurt
Jahrelang war er verrammelt und verlassen. Die Balken morsch, die Stützen marode – wegen statischer Mängel geschlossen. Dabei ist der hölzerne Goetheturm, der im Süden von Frankfurt aus den Bäumen ragt, ein so wunderbares Ziel für Rad- und Lauftouren durch den Stadtwald, ein Höhepunkt, buchstäblich. Seit 2011 musste man sich mit der Einkehr im Lokal zu seinen Füßen begnügen, dessen überfordertes Personal einem stets viel Geduld abnötigt, und sich beim Blick auf den versperrten Turm fragen, wann denn da endlich mit der Renovierung begonnen wird. Jetzt aber ist es doch passiert! In ein paar Tagen, genauer gesagt ab Freitag, ist der Goetheturm wieder offen und empfängt seine Besucher im frischen Holzkleid, mit 196 runderneuerten Stufen und – jetzt ganz neu – witterungsgeschütztem Geländer und einem Stahlnetz in den oberen Stockwerken, der Sicherheit wegen. Weiterlesen →
Und es hat “Boooom” gemacht
Das frühe Aufstehen am Sonntagmorgen hat sich gelohnt: Von meinem Standort aus, etwa 250 Meter südlich des Frankfurter AfE-Turms, konnte ich seine Sprengung gut mitverfolgen. Und auch, wenn man weiß, was passiert: Der Wumms, mit dem der Koloss in die Knie ging, war sehr sehr beeindruckend. Hier mein wackliges Video – mit dem Sturz des Turms in Zeitlupe und einer zwischenzeitlichen Wiederauferstehung. Man kann gut erkennen, wie unmittelbar nach dem ersten Knall vom Dach aus die Wasserbehälter in die Luft schießen, die mit gesprengt wurden. Und hören, wie ein Ex-Student neben mir den Fall des Uni-Turms, nunja, recht prosaisch bejubelt …
Am Tag danach pilgern die Frankfurter zu den Trümmern, gucken, staunen, reiben sich die Augen. 40 Jahre lang haben sich viele über dieses furchtbare Bauwerk geärgert – und nun ist es einfach weg, buchstäblich von einer Sekunde zur anderen. Was bleibt, ist ein gut zehn Meter hoher Schuttberg. Bagger graben sich durch das Gelände, tragen die Erdwälle ab, die die 55.000 Tonnen Beton aufgefangen und die Nachbarschaft geschützt haben. In ein paar Monate will die Abbruchfirma eine “geputzte Platte” übergeben.
Dächer, Schilder, Ampeln, Bänke, Bäume, Rasen, Wege – die ganze Senckenberganlage ist von einer dünnen, hellen Staubschicht bedeckt.
Am Rande wühlen ein paar Leute in einem Schutthaufen herum, wohl auf der Suche nach Andenken. Auf der anderen Seite des Zauns stützt sich ein Bauarbeiter auf den Stiel seiner Schaufel und beobachtet die Szene. Er scheint so was zu denken wie: “Steine aus ‘nem Kieswerk in Maintal für die Vitrine? Wer’s braucht.”
Hier ein paar Bilder von den Überresten des Turms und der Gegend ringsherum.
[galleryview id=41]Mein Frieden mit der Mainzer Landstraße
Seit einigen Monaten muss ich mich an einen neuen Arbeitsweg gewöhnen. Die Frankfurter Rundschau ist nach ihrem Kauf umgezogen, aus dem beliebten Ebbelwei-Viertel in Sachsenhausen rüber auf die nördliche Mainseite, ins Gallus, das ehemalige Industrieviertel westlich der Innenstadt. Dort sitzen wir nun an der Mainzer Landstraße in der Nähe der Galluswarte. Wer Frankfurt kennt, weiß: Dieser Ortswechsel tut schon ein bisschen weh.
Lieblingsorte: Cornelias Zimmer im Goethehaus
Im Goethehaus am Frankfurter Hirschgraben ist es mein Lieblingszimmer: der Raum im zweiten Stock, den Cornelia Goethe bis zu ihrem 23. Lebensjahr bewohnte. Bei gutem Wetter zeichnen die Sonnenstrahlen Fensterkreuze auf den Holzfußboden, und die Wände scheinen blau zu leuchten. Das Zimmer liegt abseits, rechts von der Treppe, und irgendwie passt das zu dem Mädchen, das zeitlebens im Schatten des berühmten Bruders bleibt. Weiterlesen →