Multimedia-Story: Romantiker und Raubtiere

Soeben erschienen: Teil 3 der Multimedia-Geschichten rund um meine Lieblingsdichterin. In den Nebenrollen: Ein Märchensammler namens Wilhelm Unbill (o.ä.), dem selbstbewusste Frauen nicht geheuer sind, eine fiese Stieftante und ein fürsorglicher Stiefonkel. “Romantiker und Raubtiere – Annette von Droste-Hülshoff im Paderborner Land”. 

Huch, schon 225!

Das ging ja schnell. Kaum hat man sich versehen, ein bisschen Literaturgeschichte geschrieben, ist von Rezensenten erst ignoriert, dann hofiert, von Katholiken vereinnahmt, von Feministinnen zu einer der Ihren erklärt, von etlichen Schüler:innengenerationen pflichtschuldigst abgehandelt und von der Post auf mehrere Sonderbriefmarken gedruckt worden, schon ist man 225 Jahre alt! 

Sicher ist es keineswegs, dass Annette von Droste-Hülshoff, die Dichterin, die Sie als unverbrüchlich treue Leserin dieses vernachlässigten Blogs ja sehr gut kennen, heute 225 Jahre alt wird – oder vielleicht doch erst übermorgen. Denn gesichert ist das Datum nicht. Manche Quellen datieren des Tag der Geburt auf den 12. Januar 1797. Offenbar hatte es ihrerzeit Korrekturen im Kirchenbuch gegeben.

Wie dem auch sei: Man kann Droste ja bekanntlich nicht oft genug feiern.

Aus Anlass des krummen Geburtstages, wann immer er nun exakt ist, hat Vera Lisakowski kürzlich im Kulturkenner über meinen Droste-Chatbot geschrieben. Auch Ihnen möchte ich ihn hier nochmals ans Herz legen, denn er hat, seit ich ihn vor knapp vier Jahren erstmals in die Welt entließ, eine umfassende Auffrischung erfahren. Eine Ahnung von den Windungen der Gesprächsstränge mag dieses PDF geben, mit dem ich den Bot geplant habe …

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Offiziell eröffnet: Droste-Lyrikweg zwischen Rüschhaus und Hülshoff

Vor sechs Jahren hörte ich erstmals von diesem Projekt: Der viereinhalb Kilometer lange Weg zwischen den beiden Wohnhäusern der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff bei Münster, dem Rüschhaus im heutigen Stadtteil Nienberge und Burg Hülshoff in Havixbeck, sollte zu einem Lyrikweg“ ausgebaut werden. Damals hatte ich die Strecke mit dem Rad erkundet und ihren ungefähren Verlauf – soweit das heute noch möglich ist – mit der Kamera festgehalten.

Seit wenigen Tagen ist der „Droste-Landschaft – Lyrikweg“ offiziell eröffnet. Er führt ziemlich genau dort entlang, wo auch ich ihn verortet hatte. Nun gibt es entlang der Strecke ein gutes Dutzend ausgebauter Stationen mit Droste- und Gegenwartstexten.

Hier mein Bericht für die FR:

Rahel Levin Varnhagen und der “deutsche Empörungsmut” gegen Jüdinnen und Juden

Heine nannte sie die “geistreichste Frau des Universums”, Goethe eine “schöne Seele”, die Salonière selbst rühmte ihr Talent zur gesellschaftlichen Konversation. Mit ihrer jüdischen Herkunft haderte sie – weil sie sie zur Außenseiterin machte. Heute vor 250 Jahren wurde Rahel Levin geboren. 

Das genaue Datum ihres Geburtstages im Jahr 1771 kannte Rahel Levin nicht. Sie wusste nur, dass sie in der Nacht vor Pfingsten zur Welt gekommen war – und feierte daher ihren Geburtstag immer zusammen mit dem christlichen Fest. Erst später hat man errechnet, dass es der 19. Mai war, als Rahel in eine wohlhabende jüdische Familie hineingeboren wurde.

Rund 4000 Jüdinnen und Juden lebten um 1800 in Berlin. Die Levins gehörten zu den Familien, die im Besitz des  Königlichen Generalprivilegs waren, eines Schutzbriefes, der ihnen gewisse Niederlassungsrechte einräumte. Doch von einer rechtlichen Gleichstellung, von einer gesellschaftlichen Anerkennung waren auch sie weit entfernt.

Porträt Rahel Varnhagen. Lithographie (1834) von Gottfried Küstner nach Moritz Daffingers Pastell von 1818
Porträt Rahel Varnhagen. Lithographie (1834) von Gottfried Küstner nach Moritz Daffingers Pastell von 1818. Quelle: Wikimedia Commons

Die älteste Tochter hat das früh gespürt. Im Laufe ihres Lebens kommt sie immer wieder auf den “Makel” zu sprechen, als den sie ihr Jüdischsein empfindet. Sie hadert mit ihrer Herkunft, fühlt sich als “Falschgeborene”: „Was ist es garstig, sich immer erst legitimieren zu müssen! Darum ist es ja nur so widerwärtig, eine Jüdin zu sein!”

In ihren Salon in Berlin, den sie  – ungewöhnlich – als ledige Gastgeberin ab etwa 1793 in der Jägerstraße führt, strömen sie dennoch zuhauf, die Künstler*innen und Geistesgrößen dieser Zeit: Denker wie Friedrich Schleiermacher, Friedrich Schlegel, die Humboldts, Schauspielerinnen wie Friederike Unzelmann, Diplomaten und Politiker wie Friedrich Gentz, Gualtieri, Louis-Ferdinand von Preußen,  Schriftstellerinnen und Salonièren wie Henriette Herz und Dorothea Veit, die spätere Dorothea Schlegel. Man könnte glatt auf die Idee kommen, der Erfolg der jüdischen Salons in Berlin um 1800, der Zeit der Frühromantik, wäre ein Zeichen: für die Emanzipation der Jüdinnen und Juden, für eine wachsende Anerkennung in der nicht-jüdischen Mehrheitsgesellschaft, repräsentiert durch die “Habitués”, die Salongäste … Tatsächlich aber war es wohl eher so, dass diese sich zwar gerne von Rahel Levin, Henriette Herz oder anderen jüdischen Salonièren bewirten ließen, außerhalb dieser Zirkel aber keinerlei Drang verspürten, der herrschenden Judenfeindlichkeit entgegenzutreten. Im Gegenteil, einige, wie Friedrich Gentz, Ludwig Tieck oder Clemens Brentano, äußerten sich antisemitisch. Wilhelm von Humboldt sagte von sich: „Ich liebe die Juden eigentlich auch nur en masse, en détail gehe ich ihnen sehr aus dem Wege.“

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