Nur die Locken wirkten authentisch

Das Tatort-Drehbuch lässt Annette von Droste-Hülshoff durchs revolutionsgeschüttelte Konstanz laufen.

Das Drehbuch des Tatorts ‘Chateau Mort’ lässt Annette von Droste-Hülshoff durchs revolutionsgeschüttelte Konstanz des Jahres 1848 laufen. Bild: SWR

Neulich gab’s ja einen Tatort, wie für mich gemacht. Ein Droste-Plot! Klara Blum ermittelt in Konstanz in einem Mordfall, bei dem Annette von Droste (die ja bekanntlich gegenüber in der Meersburg ihre letzten Lebensjahre verbrachte) eine Rolle spielt. Die schier unglaubliche Geschichte: Eine beim Opfer gefundene alte Weinflasche, vermeintlich Jahrgang 1832, könnte aus dem Sortiment des Drosteschen Hochzeitsweins stammen, der in den badischen Revolutionsunruhen des Jahres 1848 in einem Kellergewölbe vergessen worden sein soll. In einer Rückblende sieht man die Droste aufgeregt im nächtlichen Konstanz herumlaufen und verzweifelt “Levin! Levin!” rufen. Doch Levin ist verschwunden, die heimlich geplante Hochzeit fällt ins Wasser, und Annette stirbt kurz darauf an gebrochenem Herzen.

Das war dann der Moment, als ich auf meinem Sofa ein verzweifeltes “Hä?” ausrufen musste. Weiterlesen →

Unterm Pflaster der Strand …

Baustelle des Historischen Museums

Baustelle des Historischen Museums

Ein paar Mal schon bin ich mit der Kamera um die derzeit drittgrößte Baustelle in Frankfurt herumgeschlichen – auf der Suche nach dem Motiv, von dem alle reden: Die mehr als 800 Jahre alte Hafenmauer, die bei den Erdarbeiten am Frankfurter Römerberg zum Vorschein gekommen ist. Die Bauarbeiter, die ich frage, schicken mich rund ums Gelände, einer zeigt mir schließlich ein Schlupfloch im Bauzaun … Weiterlesen →

Tweets von Bord der Titanic

Wer nach einem Titanic-Dauerfeuer, das schon vor (gefühlt) zwei Monaten begann, rechtzeitig zum eigentlichen Jahrestag noch nicht genug hatte, konnte sich das Geschehen vor 100 Jahren auf dem Nordatlantik minutiös via Twitter nacherzählen lassen. Mindestens drei Twitter-Feeds liefern eine Vorstellung davon, wie es gewesen wäre, hätten die unsinkbare Molly Brown und andere auf dem Schiff damals twittern können: @History Channel, @RMS_Titanic_Inc und @TitanicRealTime. Letzterer wurde gefüttert von The History Press, startet bereits zwei Tage vor dem Unglück und gibt mehrere Perspektiven wieder, etwa #crew, d#engineering, #captain, #firstclass, #Carpathia und viele mehr. Eine App gibt es dazu auch.
Der Untergang der Titanic bei Twitter, eingesammelt und eingebettet nach dem Klick. Weiterlesen →

Als Mutter Goethe ihr Herz verlor

Für Skandale war nicht nur Johann Wolfgang Goethe gut. Noch bevor der Sohn im fernen Weimar seine wilde Ehe mit Christiane Vulpius begann, stürzte sich seine Mutter Katharina Elisabeth in Frankfurt in eine Liaison mit einem sehr viel jüngeren Mann. Mochte die Frankfurter Gesellschaft noch so die Nase rümpfen – um Frau Aja, wie Goethes Mutter von dessen Freunden genannt wurde und sie selbst viele ihrer Briefe unterschrieb, war es geschehen, als sie den jungen Mann das erste Mal erblickte. Altersunterschied hin oder her.
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Kopfzerbrechen in Weimar

Vor längerer Zeit berichtete ich an dieser Stelle über den Schädel Friedrich Schillers – ein begehrtes Relikt, so begehrt, dass sich seit nunmehr gut 180 Jahren immer wieder Menschen bereit finden, zwischen vermoderten Knochen zu wühlen, um den großen deutschen Dichter zu identifizieren. Zwei Schädel konkurrieren seither um das Privileg, einstmals Schillers Hirn beherbergt zu haben.

Inzwischen ist das Rätsel gelöst. Aber: An seine Stelle trat ein neues Geheimnis. Es steht zu vermuten, dass wir es mit einem postmortalen Verbrechen zu tun haben. Und ich habe einen fürchterlichen Verdacht, der, wenn er zutrifft, die Welt der Weimarer Klassik nachhaltig verstören wird …

Doch von Anfang an: Schiller, der im Jahr 1805 mit 45 Jahren in Weimar starb, war bei Nacht in einer Gemeinschaftsgruft bestattet worden. Bei mehreren Suchaktionen im 19. und 20. Jahrhundert fanden sich unter den rund 60 in Frage kommenden Toten, die das Kassengewölbe mit Schiller teilten, neben einem einigermaßen passenden Körperskelett zwei Totenköpfe, von denen ihre Finder steif und fest behaupteten, “ihrer” sei der Schillersche. Sicherheitshalber wurden beide Schädel – nach einigen Umwegen – in der Fürstengruft auf dem Historischen Friedhof zu Weimar neben den sterblichen Überresten Goethes aufbewahrt.

Zum 250. Geburtstag Friedrich Schillers im Jahr 2009 sollte das Rätsel nun endlich gelöst werden – schließlich hat man heute andere Möglichkeiten als weiland die Schädelforscher des 19. Jahrhunderts. Die Klassik Stiftung Weimar und der MDR (der das populäre Projekt filmisch dokumentierte) ließen also beide Schädel und das Skelett von Anthropologen und Molekularbiologen untersuchen. Das Ergebnis überraschte.
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Zurück in die Zukunft

Entschuldigung, wenn hier derzeit wenig los ist. Ich vergrabe mich gerade in Details über Straßenbau und Postwesen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im ländlichen Westfalen. Ich sach nur: Rückständigkeit, dein Name ist Paderborn! Zwischendurch suche ich nach ollen Sachen; am Wochenende unterlag ich knapp bei der Versteigerung eines Halbjahrsgangsbandes des Westfälischen Merkur, Januar bis Juni 1838, trauerte drei Tage und stellte dann erleichtert fest: Das, was ich suchte, war gar nicht drin, sondern erschien erst im August desselben Jahres. Glück gehabt!

Ich weiß gar nicht, warum ich so lange keinen Fuß mehr in die Frankfurter Uniblibliothek gesetzt habe: Das verjüngt ungemein! Ich brauche dann noch Ihren Studentenausweis, meinte der freundliche Herr an der Anmeldung – und guckte prüfend (!), als ich antwortete, mein Studium sei zwölf Jahre her. Und was sich da alles verändert hat! Ok, das taschenprüfende Faktotum am Eingang zum Lesesaal scheint noch ein Restbestand von damals, aber sonst… jede Menge PC-Arbeitsplätze und Internetzugänge auf mehreren Etagen, eine loungige Cafeteria in der Halle, endlich reichlich abschließbare Spinde im Keller, und sogar der verknitterte Zettelkatalog ist digitalisiert. Überhaupt: Recherche im Bestand, Bestellung der Bücher – geht alles online. Nur zum Abholen muss man noch an die “Theke” (das hieß damals auch schon so). Und der Ausweis, den ich schließlich auch ohne Studentinnenstatus bekam, ist auch nicht mehr von Pappe.