Drei Tage berufliche Fortbildung in München liegen hinter mir. Es ging um Konfliktmanagement und Personalführung, es gab Rollenspiele und Gesprächstrainings, und an vielen Stellen ging’s ans Eingemachte. Nach gut sieben Stunden platt wie eine Flunder und zu Gesprächen, die über „ein Helles bitte“ hinausgehen, nicht mehr imstande, wechselte ich am Ende eines jeden Tages nur zu gerne in die Rolle der Beobachterin.
Durch laue Sommerabende radelte ich (nachdem ich endlich ein funktionierendes MVG-Leihfahrrad in Betrieb nehmen konnte – die Erfahrungen damit waren insgesamt ein Desaster) an einer bevölkerten Isar entlang, schaute auf das bunte Treiben auf den Wiesen am Fluss, auf viele einzelne Szenen, die alle zusammen in meinem Kopf zu einer perfekten Illustration der Leichtigkeit des Seins wurden.
In Bogenhausen stand ich plötzlich vor dem Nachfolgebau der Villa von Thomas und Katia Mann.
Die verlängerten Abendöffnungszeiten in der Alten (dienstags) und der Neuen Pinakothek (mittwochs) bescherten mir nicht nur die Möglichkeit für Kunstkonsum nach Feierabend, die Ausstellungssäle waren um diese Zeit auch angenehm leer, und ich fühlte mich kein bisschen gehetzt wie sonst so oft in Museen und Galerien. So inspizierte ich beispielsweise die Dachstube von Spitzwegs “Armem Poeten” – ein Bild, das im Wohnzimmer meiner Großeltern bei Bonn hing und das ich deshalb als Kind immer mal wieder vor Augen hatte – ausgiebig wie eine Zimmerwirtin, die einen prüfenden Blick auf das Durcheinander Hempelscher Ausmaße wirft, in dem der dieser etwas seltsame Mieter haust. Dabei entdeckte ich zum ersten Mal die an die Zimmerwand gepinselten Krakeleien – man hält sie für das Versmaß des Hexameter, wie ich später im Katalog nachlas.
Im rappelvollen, baumbestandenen Biergarten des Hofbräukellers (eine Empfehlung der Kaltmamsell, die auch auf die düstere Geschichte des Ortes hinwies) fühlte ich mich wie in ein Bild von Max Liebermann versetzt, wie ich es in der Neuen Pinakothek gesehen hatte.
Am letzten Abend fand ich unerwartet den wunderschönen Garten des Lenbachhauses (Entdeckung eines Wochenendbesuchs in München im Jahr 2016) länger geöffnet. Auf dem Platz davor tummelten sich Leute, tranken Bier, das begleitend zu einer Licht-Ton-Performance im Kunstbau ausgeschenkt wurde.
Später, als überm Königsplatz die blaue Stunde langsam in die Nacht überging, mischte ich mich unter die vielen jungen Menschen, die auf den steinernen Stufen Platz genommen hatten, picknickten, plauderten, spielten oder den Tanzenden zwischen den Säulen zuschauten, wie sie das Beitragsbild ganz oben zeigt. Ich genoss es, nicht reden zu müssen. Ich genoss es, nirgendwo pünktlich sein zu müssen. Ich saß einfach nur da, trank ein Bier, ließ Blicke und Gedanken schweifen. Genoss den Ort und den Moment. Und da war sie plötzlich wieder, die längst überwunden geglaubte München-Sehnsucht. Ja, doch: Auch hier hätte es sich gut leben lassen!
Vor nunmehr 30 Jahren wollte ich unbedingt nach München ziehen, am Altheimer Eck Journalismus lernen und danach, klar, zur Süddeutschen. Mein Ausbildungs- und Berufsweg hat sich dann doch anders entwickelt, und oft war ich froh darum. Heute kann ich voller Überzeugung sagen: Ich möchte nirgendwo anders arbeiten als dort, wo ich bin – und mir ist durchaus bewusst, wie glücklich ist, wer so etwas von sich sagen kann.
Trotzdem kann man ja mal Gedankenexperimente machen. Wie wäre mein Berufs- und damit auch Privatleben wohl verlaufen, hätte das alles damals geklappt wie gewünscht? Wo wäre ich heute, hätte ich bei der zweitägigen Aufnahmeprüfung an der Journalistenschule besser abgeschnitten, in München studiert und anschließend dort gearbeitet? Die Frage ging mir durch den Kopf, als ich abends durch die Kirchenstraße zurück zum Hotel flanierte, und zumindest der Gedanke gefiel mir, dass ich vielleicht in einem der netten Häuschen in dieser Gegend wohnen würde …
Über das, was ich im Konfliktmanagement-Seminar gehört und gelernt habe, will ich später noch ein wenig berichten. Eine wichtige Erkenntnis aus den Münchner Tagen sei hier aber unbedingt noch erwähnt. Sie berührt dieses Blog – beziehungsweise seinen Namen.
Seit Jahren will ich das alles hier auf eine neue Domain umziehen. Denn in regelmäßigen Abständen hadere ich damit, als „DailyMo“ in Erscheinung zu treten, aber allenfalls monatlich Neues zu veröffentlichen, oft nicht einmal das. Lange dachte ich, dass ich vielleicht irgendwann zu einer kürzeren Frequenz des Bloggens zurückfinde, denn das regelmäßige Schreiben hier fehlt mir im Grunde. Das schnelle Posten in den Socials hat das Bloggen in den Hintergrund gedrängt, aber für mich bleibt diese Spielwiese in meinem eigenen Garten, wo ich die Regeln bestimme und nicht irgendein Social-Media-Unternehmen, einfach unersetzlich.
Klar ist aber auch: Ich kann aufhören, auf die Zeiten zu warten, in denen ich zum täglichem Bloggen zurückkehre. Es wird nicht passieren.
Also habe ich begonnen, Datenbank und Dateisystem für den Umzug auf eine Domain vorzubereiten, die etwas weniger deutlich auf diese Diskrepanz hinweist. Ich mühte mich durch diverse Anleitungen, damit alle Inhalte richtig übernommen werden und alle Links auch künftig funktionieren. Halbherzig allerdings – denn ich mag dailymo.de, es ist mir ans Herz gewachsen, steckt voller Erinnerungen. Ob die neue Domain jemals annähernd so zu mir gehören wird? Ich habe meine Zweifel, aber – ach! Muss halt sein. Dachte ich und schaufelte Daten.
Und dann erreicht mich in München eine Mail – und ich schmeiße alles um. Weil ein Bloggerin, die in vielen Jahren quasi eine vertraute Nachbarin in meinem Blogosphären-Kiez geworden ist, mich darin “liebe Dailymo” nennt.
Huch! Ja, das bin ich! Ich fühle mich angesprochen!
Und deshalb pfeife ich jetzt auf die Befürchtung, irgendeiner imaginierten Erwartung nicht gerecht zu werden, die der Name meines Blogs vermutlich eh schon lange bei niemandem mehr weckt (außer mir). Dies hier bleibt Dailymo. Der Umzug ist abgeblasen.
Hach! Also ich freu mich, dass der Blog-Umzug abgeblasen ist. Du bist und bleibst “DailyMo”. Ganz unabhängig ob Du nun tatsächlich täglich bloggst oder nicht.
P.S. Außerdem hält der Blogname bei Deinen Lesern schlicht die Hoffnung auf einen neuen Blogeintrag lebendig, weil … könnte ja sein, dass heute “daily”-Tag ist! :-)
Danke, Liisa – freut mich, dass du das so siehst. Und dass du gleich noch ein weiteres gutes Argument lieferst! :)