Seite an Seite mit den großen Pötten: Radtour am Nord-Ostsee-Kanal

Pötte gucken ohne Ende: Mit dem Rad am Nord-Ostsee-Kanal von Brunsbüttel nach Kiel.

Pötte gucken ohne Ende: Mit dem Rad am Nord-Ostsee-Kanal von der Elbmündung an die Kieler Förde. Bild: Monika Gemmer

Mit dem Fahrrad von einem Meer zum anderen, auf der Strecke, die auch mehr als 30.000 Schiffe Jahr für Jahr nehmen: Ich will den Nord-Ostsee-Kanal entlangradeln, von West nach Ost, von Brunsbüttel nach Kiel. Es gibt eine 325 Kilometer lange NOK-Route mit vielen Schlenkern ins Hinterland, aber ich will vor allem eins: Schiffe sehen und der meistbefahrenen künstlichen Wasserstraße der Welt folgen. Deshalb nehme ich die “Express-Route”, die fast immer direkt am Ufer entlangführt. Zwei Tage lang reise ich Seite an Seite mit den großen Pötten. Ich lerne viel über Schleusen und Containerschifffahrt, entdecke die verwunschenen Reste des alten Eiderkanals, Vorgänger des “NOK”. Ich begegne einem echten Traumschiff und erlebe einen absoluten Tiefpunkt – an der tiefsten Landstelle Deutschlands.

KarteStreckeninfos

NOK-Express-Route: ca. 125 km (mit den in der Karte verzeichneten Abstechern ins Hinterland, ansonsten ca. 110 km)

Profil: Am Ufer durchgehend flach, einige wenige Steigungen an den Umfahrungen.

Empfohlene Richtung: Brunsbüttel – Kiel wegen des meist herrschenden Westwinds, aber natürlich sind beide Richtungen möglich und ausgeschildert.

Empfehlenswertes Etappenziel für Zwei-Tages-Tour: Breiholz, Hotel Ahoi – schönes Landhotel direkt am Kanal mit Restaurant und Cafe, EZ 35 Euro, Frühstück 10 Euro (2015), ca. 15 km westlich von Rendsburg.

Unterwegs anschauen: Aussichtsplattformen an den Schleusen Brunsbüttel und Kiel, Tiefste Landstelle, alte Eider-Kanal-Schleusen Kluvensiel und Königsförde, Hochbrücke Rendsburg mit Fahrt der Schwebefähre, alter Holzdalben in Schülp. In Kiel: Schifffahrtsmuseum Alte Fischhalle.

Start in Brunsbüttel

Zu dieser Tour reise ich standesgemäß an: übers Wasser. An der Steubenhöft-Pier in Cuxhaven gehen mein Drahtesel und ich frühmorgens an Bord der “Grete”, eine von zwei Fähren, mit der die Reederei Elb-Link vor kurzem eine alte Verbindung über die Elbmündung wieder aufgenommen hat. In 70 Minuten sollen wir Brunsbüttel erreichen. Tatsächlich tuckert die große Autofähre anderthalb Stunden über die Elbe. Es regnet Bindfäden. Während ich versuche, durch die Schlieren am Fenster das andere Ufer, die Brunsbütteler Schleuse und den Startpunkt meiner Radtour am Nord-Ostsee-Kanal zu erspähen, ziehe ich gedanklich schon mal die Regenklamotten über.

Doch als ich am Anleger von Bord gehe, ist das erfreulicherweise nicht mehr nötig: Die Wolkendecke reißt auf, zeigt blaue Lücken – und nach kurzer Zeit kommt sogar die Sonne heraus. Reisende Engel! Zehn Minuten radele ich an der Flusskante entlang Richtung Süden, dann habe ich die Brunsbütteler Schleuse erreicht. Vor neun Jahren war ich schon einmal mit dem Fahrrad hier, damals kam ich von Hamburg und war auf dem Weg nach Sylt. Heute klettere ich noch einmal auf die beiden Aussichtsplattformen an der Nordseite und schaue auf eine riesige Baustelle. Die Tore der großen Schleuse, seit 100 Jahren ununterbrochen in Betrieb, sind marode. Um sie zu sanieren, muss erst eine neue, fünfte Schleusenkammer zur Entlastung gebaut werden. Frühestens 2020 soll sie fertig sein. Dann erst geht’s an die Erneuerung der alten Schleusentore.

Elbe trifft Nord-Ostsee-Kanal: Bick auf die Schleusen in Brunsbüttel. Bild: UlrichAAB, CC BY 3.0, über Wikimedia Commons

Elbe trifft Nord-Ostsee-Kanal bei Brunsbüttel: Die beiden großen Schleusen links brauchen dringend eine Sanierung. Wo die Mittelinsel liegt, wird derzeit eine fünfte Schleusenkammer zur Entlastung gebaut. Bild: UlrichAAB, CC BY 3.0, über Wikimedia Commons

Der Bau des Kanals hat das beschauliche Brunsbüttel vor fast 130 Jahren ins industrielle Zeitalter katapultiert. Aus dem kleinen Hafen, in dem ein paar Fischerboote dümpelten und kleine Frachter, die Waren nach und von Hamburg transportierten, wurde das Tor zu einer gigantischen Wasserstraße quer durch Schleswig-Holstein. 1887 setzte man den ersten Spatenstich für ein ehrgeiziges Mammutprojekt, eine Herausforderung, größer als alles, was man bis dahin kannte. Einer Anekdote zufolge, die man sich bis heute hier erzählt, ist die Schaufel dabei abgebrochen.

In unserer Zeit passieren jeden Tag im Schnitt mehr als 100 Schiffe auf dem Weg zwischen Nordsee und Ostsee den Kiel Canal, wie er international genannt wird. Mit mehr als 30.000 Passagen pro Jahr ist hier mehr Betrieb als auf dem Suez- oder dem Panamakanal. Während meiner Radtour werden mich um die 70 Container- und Cargoschiffe, 22 Tanker, ein Kreuzfahrer, unzählige kleine Segelboote und eine Handvoll Dreimaster begleiten.

Weil ich irgendwo gelesen hatte, dass es wegen der Bauarbeiten in Brunsbüttel im Süden Sperrungen gibt, starte ich auf der nördlichen Kanalseite. Die erste Überraschung: Kilometerweit sehe ich nicht einen einzigen Pott! Und das soll eine Art Schiffs-Highway sein? Bisher ist es ein ruhiger Fluss, den Enten und Schwänen mit ein paar vereinzelten Jollen teilen. Idyllisch, still – wunderschön.

14 Fähren verbinden beide Ufer, alle fahren kostenlos.

14 Fähren verbinden beide Ufer, alle fahren kostenlos.

Bei Burg setze ich mit einer der insgesamt 14 Kanalfähren auf die südliche Seite über. Sie alle fahren kostenlos – eine Verfügung, mit der Kaiser Wilhelm vor Baubeginn die holsteinische Bevölkerung milde stimmen wollte, denn schließlich durchtrennte die Wasserstraße ihre alten Verkehrswege. Bis heute ist es beim Gratis-Betrieb geblieben. Das gilt auch für die spektakuläre Schwebefähre an der Hochbrücke bei Rendsburg. Wichtiges Detail für Radwanderer: An Fähranlegern gibt es öffentliche Toiletten.

Ganz unten: Die tiefste Landstelle

Inzwischen hat sich die Sonne durchgesetzt. Auf den Kanalseitenwegen, durchweg als Doppelspuren mit einem Grünstreifen in der Mitte angelegt, komme ich gut voran. Also nehme ich mir die Zeit für einen kleinen Abstecher ins Landesinnere. Wenige Kilometer vom Kanal entfernt liegt auf der Gemarkung von Neuendorf-Sachsenbande Deutschlands tiefste Landstelle. Hier in der Wilstermarsch ist der torfige Boden durch Entwässerung bis auf 3,54 Meter unter Normalnull abgesackt.

(Mir kommt dieser Film mit Hugh Grant in den Sinn: In “Der Engländer, der auf einem Hügel stieg und von einem Berg herunterkam” spielt er einen Landvermesser, der eine Erhebung in Wales vermisst und feststellt, dass ihr ein paar Meter fehlen, um den Status als Berg zu verdienen – woraufhin die Dorfbewohner beginnen, heimlich Erde aufzuschütten. Ich amüsiere mich bei dem Gedanken, dass auch die Neuendorfer womöglich nächtelang Torfboden abgetragen haben, um Ostfriesland den Status als tiefste Landstelle abzuluchsen.)

3,54 Meter unter NN: Gäbe es die Deiche nicht würde diese Stelle bei Elbehochwasser fünf Meter unter Wasser stehen.

3,54 Meter unter NN: Gäbe es die Deiche nicht würde diese Stelle bei Elbehochwasser fünf Meter unter Wasser stehen.

Dem Schauplatz ihres Rekordes haben sie einen kleinen Rastplatz gewidmet, mit einem Pfahl, der Sturmfluthöhen verzeichnet (man muss den Kopf weit in den Nacken legen, um die Markierungen abzulesen), einem Brunnen (der sich selbst speist) und einer Picknickhütte (in der ein Geocache liegt).

Zurück am Kanal, passiert es endlich: Hinter einer Biegung taucht der stählerne Rumpf eines Containerschiffs auf. In meinen Landratten-Augen ist es gigantisch. Und es wird immer größer, je näher wir uns kommen! Mit einem monotonen Brummen pflügt es durchs Wasser. Seine Schiffsnase schiebt eine beeindruckende Welle vor sich her, obwohl es recht gemächlich unterwegs ist: Das Tempolimit auf für die ganz großen Schiffe liegt bei 12 Stundenkilometern, kleinere dürfen nicht schneller als 15 km/h durch den Kanal fahren. Container stapeln sich an Deck, vielleicht auf dem Weg nach Hamburg, Rotterdam, Antwerpen, Dünkirchen oder Southampton. Auf der Elbe habe ich schon so manchem großen Pott nachgeschaut, hier ist er zum Greifen nah. An den meisten Stellen ist der Nord-Ostsee-Kanal 162 Meter breit. Enger wird es nur auf der Oststrecke zwischen Königsförde und Kiel, wo der Wasserspiegel kaum mehr als 100 Meter Breite hat und zusätzlich einige Kurven den größeren Schiffen die Passage erschweren.

Video: Begegnung mit dem Pott.

Teure Abkürzung

Der Nord-Ostsee-Kanal erspart Schiffen den Umweg über die dänische Nordspitze bei Skagen und damit gut 450 Kilometer Strecke, um die 15 Stunden Zeit und viel Treibstoff. Die Abkürzung quer durchs Land ist für die Reedereien natürlich nicht für lau zu haben: Die Gebühren für die Passage werden nach Größe und Tiefgang berechnet. Größere Schiffe müssen zudem einen Lotsen an Bord nehmen, ganz dicke Pötte zusätzlich einen oder sogar zwei Kanalsteuerer – und auch die wollen bezahlt werden. Für ein voll beladenes Containerschiff kann somit für die sechs- bis achtstündige Passage ein Betrag irgendwo zwischen 5000 und 10.000 Euro fällig werden.

Ob sich das rechnet, hängt auch von der Logistik ab, wie mir später ein Schleusenführer in Kiel vorrechnen wird: Wenn Schiffe unterwegs mehre Häfen anlaufen, Ladung löschen und neue Fracht an Bord nehmen, fahren ihre Reeder mit der längeren Route unter Umständen besser – finanziell betrachtet. Zudem bleibt der Nord-Ostsee-Kanal nur dann attraktiv, wenn es keine langen Wartezeiten an den Schleusen gibt. Auch in Hamburg schaut man mit Sorge auf die maroden Schleusentore in Brunsbüttel – denn der Hamburger Hafen profitiert sehr vom Kanal, liegt er doch für viele Schiffe, die den NOK passieren, quasi “auf dem Weg”. Oft bringen die ganz großen Containerschiffe ihre Fracht auch zunächst nach Hamburg, wo sie auf mehrere kleinere “Feederschiffe” verteilt wird, die dann die Route durch den Kanal nehmen. Erlaubt sind hier Schiffe bis 253 Meter Länge und 9,5 Meter Tiefgang. Die größten Containerschiffe der Welt – bis 400 Meter lang – passen also gar nicht durch den Kanal.

Begegnung auf dem Nord-Ostsee-Kanal: Großer Pott, kleine Schwäne.

Koexistenz: Pötte und Schwäne auf dem Nord-Ostsee-Kanal. Bild: Monika Gemmer

Fest steht: Für den Betreiber – das ist der Bund – rechnet sich die Wasserstraße nicht. Von Anfang an war sie ein Zuschussgeschäft, und das wird in alle Ewigkeit so bleiben. Die Einnahmen durch Passagegebühren machen heute allenfalls ein Drittel der Betriebskosten aus, schreibt der Brückenbote. Ob da die immer wieder nötigen Erweiterungen – als nächstes soll ein 20 Kilometer langes Stück der Oststrecke begradigt und verbreitert werden – schon eingerechnet sind?

Als der Kaiser-Wilhelm-Kanal (wie er bis 1948 hieß) zwischen 1887 und 1895 gebaut wurde, stand für Reichskanzler Otto von Bismarck ein anderes Motiv im Vordergrund: Die Kriegsschiffe, die in Kiel und Wilhelmshafen lagen, sollten schneller und ungehindert durch die Dänen zwischen Nord- und Ostsee verschoben werden können. In dieses Ziel investierte das Deutsche Reich 156 Millionen Goldmark – an Kaufkraft wären das heute rund 1,5 Milliarden Euro. Acht Jahre lang buddelten sich bis zu knapp 9000 Arbeiter mit Trocken- und Schwimmbaggern, mit Hacke, Schaufel und bloßer Hand durchs Land, sprengten Fels weg, schafften 80 Millionen Kubikmeter Erdreich in Eisenbahnwaggons beiseite, kämpften gegen die Elemente, einströmendes Grundwasser, abrutschende Uferböschungen und die Cholera. Acht Jahre Bauzeit – und ein Kostenrahmen, der eingehalten wurde: Das soll heute mal einer nachmachen!

Der Pott ist inzwischen an mir vorbeigezogen. Völlig unbeeindruckt schaukelt eine Gruppe von Schwänen in seinem Wellenschlag. Dann wird der Kanal wieder ein langer ruhiger Fluss – bis zur nächsten Begegnung.

Schiffsampeln regeln den Verkehr

Was, wenn sich zwei Riesen begegnen? Nicht an allen Stellen passen große Pötte problemlos aneinander vorbei – dann muss einer warten. Dafür gibt es alle acht bis zehn Kilometer eine Ausweichstelle, Weiche genannt: halbrunde Ausbuchtungen an jeder Seite. Geregelt wird der Verkehr durch turmhohe Schiffsampeln. An der Kombination der Leuchtsignale erkennen die Kapitäne, ob sie zu warten und den Gegenverkehr durchzulassen haben.

Damit die Pötte nicht aus der Fahrrinne gedrückt werden und notfalls festmachen können, wenn es mal wieder länger dauert, reihen sich überall in Ufernähe Dalben aneinander, die Neueren aus Stahl, an vielen Stellen sind es aber auch noch alte Holzpfähle, die gebündelt und tief in den Boden des Kanalbetts gerammt sind.

Video: Abendlicher Gegenverkehr – Die “Paper Star”, an einen Holzdalben gedrückt, bereitet sich auf die Weiterfahrt vor, als das entgegenkommende Schiff  fast vorbei ist. Hinter ihr hat sich ein kleiner Stau gebildet.

Mein erster Tag am Nord-Ostsee-Kanal endet bei Breiholz, wo ich übernachte. Knapp die Hälfte der Strecke habe ich zurückgelegt. Vollgepackt mit Eindrücken genieße ich noch einen letzten Blick auf das Wasser, auf dem die Dalben sich wie eine Leibgarde aneinanderreihen.  Nachts werde ich immer mal wieder das sanfte Brummen vorbeiziehender Schiffe hören. Denn der Kanal schläft nicht!

Abendstimmung bei Breiholz.

Abendstimmung am NOK bei Breiholz. Bild: Monika Gemmer

2. Etappe: Über Rendsburg nach Kiel

Den Hering zieht es von der Ostsee zum Laichen ins Brackwasser des Kanals.

Den Hering zieht es von der Ostsee zum Laichen ins Brackwasser des Kanals.

Der Tag beginnt mit Sonne und mit der Vorfreude auf eine besondere Begegnung: Die Saga Pearl II wird heute den Kanal durchfahren, ein Kreuzfahrtschiff, das in den 80er Jahren – damals hieß es noch Astor – als Kulisse für die ZDF-Serie “Traumschiff” diente. Auf dem Weg von Kopenhagen ins holländische IJmuiden soll es laut Fahrplan um 7 Uhr die Kieler Schleuse passieren, um 9:30 Uhr wird es in Rendsburg erwartet. Auf dem Weg fallen mir die vielen Wohnmobile auf den Parkplätzen am Ufer auf: “Sehleute”, die sich Logenplätze gesichert haben.

Und noch etwas fällt mir an diesem Sonntagmorgen ins Auge: An vielen Stellen haben Angler ihre Ruten ausgeworfen. Ich lerne: Geangelt wird im Brackwasser des Kanals unter anderem Zander, Aal, Karpfen, Dorsch, Flunder und Hering, der zum Laichen von der Ostsee in den NOK zieht.

Von Osterrhönfeld setze ich nach Rendsburg am nördlichen Ufer über – natürlich mit der spektakulärsten Fährverbindung des ganzen Kanals: An der charakteristischen Eisenbahn-Hochbrücke hängend, transportiert die Schwebefähre seit 1913 Autos, Fußgänger und Radfahrer dicht überm Wasser auf die andere Seite. In ganz Deutschland gibt es nur zwei dieser Fähren, hier und an der Oste. Die Überfahrt selbst dauert keine drei Minuten, das Warten auf freie Bahn nimmt deutlich mehr Zeit in Anspruch, bietet dafür aber auch beste Aussichten auf die vorbeiziehenden Pötte.

Video: Die Schwebefähre lässt einen Autotranporter der Reederei KESS passieren.

Zeitraffer: Fährmann, “schweb” über!

Von der Saga Pearl II ist in Rendsburg allerdings ist nichts zu sehen. In der Schiffsbegrüßungsanlage, wo man sonntags offenbar brunchen kann, nutze ich das freie Wlan und schaue auf der Echtzeit-Karte von Marine Traffic nach ihrem Verbleib: Der Kreuzfahrer liegt noch in Kiel, am Zielort meiner Tour, gut 45 Kilometer weit entfernt.

Inzwischen haben sich dunkle Wolken aufgetürmt, und ich gerate beim Weiterradeln in einen ersten Schauer. Es wird nicht der einzige heute bleiben. Hinter Rendsburg verlässt der Radweg zweimal das Ufer, einer dieser Abstecher bringt mich bei Klein Königsförde zu einer alte Schleuse über den Eiderkanal.

Schleuse des alten Eiderkanals bei Klein Königsförde.

Schleuse des alten Eiderkanals bei Klein Königsförde.

Die Idee, Nord- und Ostsee zu verbinden, war nämlich im 19. Jahrhundert bereits ein alter Hut. Der Vorgänger des NOK hieß Schleswig-Holstein-, später Eider-Kanal, er verlief zwischen Kiel und Rendsburg einigermaßen parallel zum heutigen Nord-Ostsee-Kanal und verband von  1784 bis 1850 die Kieler Förde mit der Untereider, die ab Rendsburg in vielen Schleifen Richtung Nordwesten bis zur Nordsee fließt. Heute existieren vom alten Eider-Kanal nur noch wenige Kilometer. Bei Klein Königsförde begleitet mein Radweg ihn ein kleines Stück – schwer vorstellbar, dass dieses verwunschene Gewässer einst eine so wichtige Verbindung gewesen ist.

Über Landstraßen radele ich durch Dörfer mit Namen wie Krummwisch, Frauendamm, Klein-Nordsee und Groß-Nordsee. Endlich wieder am Kanal, finde ich ein schönes Plätzchen unter Bäumen an einer Weiche, das – kaum habe ich mich niedergelassen – zum Logenplatz wird: Wie bestellt gleitet die “Saga Pearl II” an mir vorbei.

Kreuzfahrtschiff "Saga Pearl II"

Das Kreuzfahrtschiff “Saga Pearl II” auf dem Weg nach Holland. Bild: Monika Gemmer

Zehn Straßen- und Eisenbahnbrücken sind über den Nord-Ostsee-Kanal gespannt, jede ist 42 Meter hoch (nur die Rendsburger Hochbrücke einen Meter höher). Schiffe dürfen daher nicht weiter als 40 Meter aus dem Wasser ragen. Ausgelegt wurde die Höhe der Brücken auf die Schiffe der Deutschlandklasse der kaiserlichen Marine.

Das wird knapp - oder? Eine der schönsten Brücken über den NOK ist die alte Levensauer Hochbrücke. Bild: Monika Gemmer

Das wird knapp – oder? Die “Bernhard Schepers” unterquert eine der schönsten Brücken über den NOK, die alte Levensauer Hochbrücke. Bild: Monika Gemmer

Am späten Sonntagnachmittag erreiche ich Kiel, Kilometer 98,637 des Nord-Ostsee-Kanals und das Ziel meiner Tour. Für einen Euro kann man auf der Aussichtsplattform nahe dem Zollamt an der südlich des Kanals gelegenen Uferstraße in Kiel-Wik am ganz nah dran sein beim Schleusen.

Von hier aus schau ich zu, wie die “Alexander B” der dänischen Maersk Line, der weltgrößten Containerschiff-Reederei, sich der Schleuse nähert. Sie fährt unter der Flagge von Antigua und Barbuda – wie auch die hinter ihr folgende “Bernhard Schepers” der deutschen Reederei HS und viele andere Schiffe, die ich auf meinem Weg gesehen habe. An Bord gelten damit weder deutsche Tariflöhne noch die strengen deutschen Sicherheitsanforderungen.

Video: Die “Alexander B” läuft in die Schleusenkammer ein. Unten am Kai schnappen sich die Schiffsbefestiger die Leinen, gehen neben dem Pott her, als würden sie einen großen Hund an der Leine führen. Ein gefährlicher Knochenjob.

Erschöpft, aber glücklich radele ich an der Kieler Förde entlang in die Innenstadt. Am nächsten Tag werde ich im Schiffahrtsmuseum in der Alten Fischhalle noch allerhand über den Werften- und Marinestandort Kiel lernen, im Aquarium dem immerwährenden Kreisverkehr eines Heringsschwarms zusehen, am Norwegenkai der Fähre nach Oslo nachschauen und im “Alten Mann” leckere Falafel essen, bevor es schließlich per Bahn über Hamburg heimwärts geht.

8 Kommentare

  1. tolle Reiseerzählung mit interessanten Details, es reizt die Tour selber zu fahren, aber in diesem Jahr fahren wir erstmal die Fehnroute: Emden – Leer – Papenburg – Stadskanaal, – Groningen, – Delfzijl
    Welche Übernachtungsmöglichkeit gibt es in Breiholz?

    Danke für den schönen Reisebericht.

  2. Hallo Bernhard, danke! Die Fehnroute ist bestimmt auch schön, im Frühjahr war ich in Papenburg – ein schönes Städtchen, und die Besichtigung der Meyer-Werft ist hochinteressant (und begehrt, man sollte vorab online buchen).

    In Breiholz gibt es das Ahoi-Hotel, es liegt sehr schön direkt am Kanal. Ich kann’s empfehlen. Viel Spaß und eine gute Tour!

  3. …. Schöner Bericht! Gibt es eine Empfehlung auf welcher Seite des Kanals Sie fahren würden ?
    Grüße , Andreas Meier

  4. Hallo Andreas, nein, keine Empfehlung – beide Seiten lassen sich gut fahren. Es gibt viele Möglichkeiten, den Kanal zu überqueren, die Fähren sind kostenlos – wechseln Sie einfach je nach Laune oder Sonnenstand die Seiten. Viel Spaß auf der Tour!

  5. Hallo Mo, danke für die tolle Beschreibung der NOK-Fahrradtour. Wir (3 Pers.) wollen in der kommenden Woche diese Route radeln. Welche Übernachtungsmöglichkeit empfiehlst du uns in Kiel (Bahnhofsnähe), das “Ahoi” in Breiholz haben wir bereits für die erste Übernachtung
    gebucht. Danke im Voraus. Liebe Grüße

  6. Hallo Marianne, da habt ihr eine schöne Tour vor euch! :) Für Kiel habe ich leider keine Empfehlung parat. Ich selbst habe im Hotel Flämischer Hof gewohnt, das Zimmer war ok, aber die Umgebung – naja. Mitten zwischen den Kieler Rotlichtbetrieben. Nicht schön. Dafür recht günstig. ;) Ihr findet bestimmt was Besseres.
    Ganz viel Spaß und gutes Radelwetter wünsche ich euch!

  7. Hallo und ein großes Lob für diesen Beitrag ,was mir bei meinen Vorbereitungen für meine Tour NOK auffällt niemand macht sich Gedanken es Radlern leichter zum machen um Übernachtungen entlang der Tour zu finden ,,,Oder liegt das an mir .Meine Tour könnte in beide Richtungen führen wenn das Wetter mit macht..D W

  8. Vielen Dank! Ich hatte mich u.a. deshalb für die Richtung Brunsbüttel – Kiel entschieden, weil ich mir dachte, dass der Wind dort häufiger von Westen weht. Bei der Fahrt spielte es dann kaum eine Rolle, anders als direkt an der Küste. Eine gute Tour!

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