Und was machen wir? Wir reden darüber, ob Maschinen nicht noch mehr von unserer Arbeit übernehmen können, heute auf der re:publica in Berlin, mit Johannes Kleske (Twitter). Und siehe da: Es ist gut und wichtig, darüber zu reden. Denn es gibt bei dieser Diskussion nicht nur Entweder – Oder.
Bestandsaufnahme: Die Roboter sind längst unter uns. Sie übernehmen in immer mehr Lebensbereichen Arbeit, die wir vorher selbst erledigen mussten. Roboter betreuen Kleinkinder, saugen unsere Teppichböden und handeln an den Aktienmärkten mit unserem Geld. Drohnen bringen Kameras, aber auch Waffensysteme direkt über unsere Köpfe. Autos fahren ohne Fahrer, wie von Geisterhand gelenkt.
Vieles davon ist bereits Realität, und was es noch nicht ist, das wird es bald sein. (Auf der re:publica beschrieb uns Daimler-Chef Zetsche, wie nah die Autobauer dem vollautomatischen Fahrzeug bereits sind, ausgestattet mit Radarsystemen, Kameras, einer Software, die Muster erkennt und entsprechend agiert. Die größten Hürden auf dem Weg zum selbstfahrenden Auto, sagt er übrigens, seien nicht etwa technischer, sondern rechtlicher Natur.)
Wem nutzt es?
Zukunftsszenario: Maschinen nehmen uns also die Arbeit ab, künftig noch weit mehr als jetzt. Was macht das mit uns, mit unserer Gesellschaft, unserer Arbeitswelt? Wir haben ja meist dieses Bild vor Augen: Roboterarme bauen in riesigen Fertigungshallen Produkte zusammen. Kennen wir. Haben wir uns längst dran gewöhnt. Dabei geht es in absehbarer Zeit ganz anderen Branchen an den Kragen. Johannes Kleske nennt zwei Beispiele: Gut möglich, dass Anwälte den wesentlichen Bestandteil ihrer Arbeit, die Analyse, das Einbetten eines Falls in einen Kontext, die Recherche von Vergleichsurteilen, in Zukunft immer öfter an eine Software abtreten müssen. Und könnte eine Anwendung, die jede nur erdenkliche Variante einer Erkrankung kennt und immer auf dem neuesten Stand der Wissenschaft ist, nicht viel schneller und sicherer Diagnose stellen als ein Arzt, der schon lange keine Fortbildungseinrichtung mehr von innen gesehen hat?
Für Ärzte und Anwälte mögen solche Szenarien bedrohlich wirken. Doch Leute, die nicht das Geld für einen teuren Anwalt haben und trotzdem zu ihrem Recht kommen wollen, könnten dieser Entwicklung vermutlich durchaus etwas abgewinnen. Patienten, die nicht mehr von Pontius zu Pilatus laufen müssen, bevor sie die richtige Behandlung bekommen, wohl auch.
Hat es also nicht doch eine positive Seite, wenn wir Maschinen bauen, die uns die Arbeit wegnehmen?
Die Entwicklungen, die hinter diesen Fragen stehen, mögen relativ neu sein, die Fragen selbst sind es nicht. Tatsächlich war es schon immer so, dass sich die Welt (technisch) weiterentwickelt hat – Kollateralschäden für die Arbeitswelt inklusive. Wir haben uns daran gewöhnt. Und das Gute ist: Wir sind anpassungsfähig. Ja, das Internet vernichtet Jobs, sagt eine Studie von McKinsey, doch auf einen so verlorenen Arbeitsplatz kämen 2,4 neue. Klingt nach einer positiven Bilanz, aber Johannes Kleske macht auch auf einen Haken aufmerksam. Je schneller die technische Entwicklung fortschreitet – und das tut sie in immer riesigeren Schritten -, umso weniger kommen wir mit dem “Erfinden” neuer Jobs nach. Dazu kommt: Es werden immer mehr Stellen im Mittelstand sein, die verloren gehen (siehe das Ärzte/Anwälte-Beispiel), die neu entstehenden Jobs wären aber zunehmend solche im Niedriglohnbereich. Kleske nennt es das Stundenglas-Phänomen: In der Mitte wird es ganz dünn, und die Jobs rieseln nach unten durch wie Sand.
Ist es also doch schlecht, wenn zunehmend Maschinen unsere Arbeit übernehmen? Sollten wir nicht auf die Barrikaden gehen wie die Maschinenstürmer des 19. Jahrhunderts, jene Weber, die mit schweren Vorschlagshämmern die mechanischen Webstühle zerstörten? Die Sache endete nicht gut für sie – am Galgen nämlich. Ihren Nachfolgern, die heute unter dem Schlagwort Neo-Luddism auftreten, wird dieses Schicksal nicht drohen, doch ob sie erfolgreicher sind?
Oder sollen wir es eher mit den “Borgs” halten? Sie sagen: Die Entwicklung lässt sich ohnehin nicht aufhalten, setzen wir uns besser gleich an ihre Spitze, dann haben wir eine Chance, Einfluss auf ihre Richtung zu nehmen. Oder, wie Daimler-Boss Zetsche formulierte: Wenn sich etwas verändert, ist es immer besser, Teil der Veränderung zu sein.
In der Debatte um Mensch & Maschine, um Fortschritt und seine Begleiterscheinungen, prallen regelmäßig die Extreme aufeinander, als gäbe es nichts dazwischen. Am Ende bringt uns das nicht weiter. Dabei wäre genau das die spannende Aufgabe: Den Mittelweg zu finden. Maschinen dort arbeiten zu lassen, wo sie Dinge besser können als wir – und Menschen dort, wo wir besser sind als Roboter.
Natürlich wollen wir nicht, dass unsere Chefs uns Trackingsoftware ans Handgelenk schnallen, wie es die Firma Tesco macht, um unsere Arbeit lückenlos zu überwachen und uns effizienter zu machen. Aber das sollte uns nicht davon abhalten, darüber nachzudenken, wie wir den Maschinen möglichst viel von dem überlassen können, was wir weder gut noch gerne machen. Und uns auf das konzentrieren, was wir tun wollen.
Die aufmüpfigen Weber hielten die industrielle Revolution nicht auf. Gegen den Fortschritt waren sie chancenlos. Aus heutiger Sicht: zu Recht. Aber: Sie haben wichtige Fragen gestellt. Wie wollen wir leben? Wem nutzt der Fortschritt, und wem schadet er? Johannes Kleske wünscht sich den “kritischen Geek”, der die Kollaboration zwischen Mensch und Maschine immer wieder auf diese Fragen abklopft.
Tun wir ihm den Gefallen. Seien wir kritische Geeks.