Dont think twice

Die weitaus meisten Fehler, die man sich im Laufe der Zeit leistet, geben sich ja erst im Nachhinein als solche zu erkennen. Manchmal aber weiß man, dass es einer ist, noch während man ihn macht.
Ich wusste es in dem Moment, als ich den Schritt aus der S-Bahn machte. Es war meine Station, ich musste aussteigen, zur Arbeit, ich war eh schon spät dran. Wenn ich mir Mühe gebe, fallen mir bestimmt noch mehr Entschuldigungen ein dafür, dass ich nichts tat. Nichts außer auszusteigen.
War es nicht ein stinknormaler Streit zwischen zwei Eheleuten, da in der S-Bahn? Sie waren laut, fast schrien sie sich an, er hat sie berührt. Nicht geschlagen, aber unangenehm angefasst. Wann ist die Grenze des Privaten überschritten, wann wird eine Auseinandersetzung öffentlich, wann darf ich eingreifen, nein, wann muss ich eingreifen? Und warum zum Teufel kann man darauf wetten, dass immer ein paar gestandene Männer bei so einer Szene danebenstehen und dämlich grinsen?
Fürs nächste Mal schreib ich es jetzt hundert Mal: Nicht lange nachdenken – was tun.

12 Kommentare

  1. ich hab da ein ähnliches problem, allerding als dauerbrenner. ein frauenpaar bei mir im haus, in der wohnung unter mir und in der wohnung neben mir, passenderweise. einmal hab ich schon nachts um 4 zugehört wie lautstark über das stillen von entstandenen blutungen gestritten wurde. ansonsten lausche ich vorwiegend, wie die eine mit der anderen ungefähr in der art spricht, wie ich mir das dressieren eines tieres vorstellen würde. (erinnert mich irgendwie an meine mutter ;-)
    was tun!
    das hat eben nicht immer nur ein -!-. vor allem hat es eben auch ein -?-. oder zwei. oder drei.
    :-(

  2. Ich erinnere, dass du schon mal davon berichtet hattest, engl. Vielleicht kannst du eine der beiden bei passender Gelegenheit mal ansprechen? (Und schon wieder ein -?)

  3. tja, wenn da bloß nicht die angst wäre letzten ende selber zwischen die fronten zu geraten. da bin ich wohl irgendwie geprägt von meinen eltern.
    außerdem bin ich hier ganz allein, das ist vielleicht der unterschied zu der situation in der bahn. notfalls kann ich nicht einfach irgendwen am ärmel dazuziehen.
    reden wirds wohl sein, wenn ich mal eine von beiden alleine treffe. aber ich legs nicht unbedingt drauf an.
    sowas verursacht übelkeit auf dauer, das kann ich dir sagen.

  4. Eine miese Situation und ich kann Dein Abwägen gut verstehen. In der Psychologie gibt es glaube ich so eine Art Fallbeispiel, daß sich das streitende Paar gegen Dich verbündet und so tut als wär nichts gewesen. Dann stehste selbst als Trottel da – und hast immer noch Grummeln im Bauch.
    Vielleicht liegt auf dem Weg zwischen “nichts tun” und “was tun” “etwas sagen”.

  5. entweder beide gegen mich, weil sie sich erwischt fühlen. oder ich auf einer der beiden seiten und fortan mitten drin im häßlichen spiel. das finde ich fast noch schlimmer.
    schlimmstenfalls gibt es ja noch die polizei.
    oder ich muß umziehen… ;-)

  6. Vielleicht noch ‘ne geeignete Idee: besorg Flyer oder Visitenkarten einer geeigneten Beratungsstelle und pack sie den beiden – ohne Absender – in den Briefkasten. Du hast dann das etwas bessere Lebensgefühl, Dein Möglichstes getan zu haben und Deine Nachbarinnen die Option, etwas zu ändern. Wenn sie an ihrer Situation was ändern wollen, ist das vielleicht die Anregung, die sie brauchen. Wenn sie nichts ändern wollen ist leider jede Unterstützung, Beratung etc. völlig sinnlos. Als Außenstehende können wir immer nur Hilfe zur Selbsthilfe anbieten – das ist manchmal schwer auszuhalten aber leider wahr.

  7. da hab ich auch schon dran gedacht. weiß nicht, warum ich es noch nicht gemacht habe. vielleicht weil ich denke, daß sowas sowieso nur das eigene gewissen beruhigen soll.
    ach, ich gehe gleich mal in der stadtbibbi vorbei. wenigstens mal gucken.

  8. Tja, wann eingreifen? Manchmal ist es ja auch so, dass der erste Eindruck eines gewalttätigen Übergriffs täuscht – und die Gewalt “nur” die Reaktion auf eine vorhergehende gewesen ist, die wir nicht gesehen haben. Und vielleicht ist diese vorhergehende keine körperliche, sondern eine seelische gewesen. Und damit vielleicht (vielleicht!) sogar schmerzhafter…
    Vielleicht tröstet es ein wenig, dass auch ich (als Selbstverteidigungslehrer) nicht unbedingt sicherer in der Beurteilung einer solchen Situation bin. Und zusätzlich zu bedenken gebe, dass eine eigene Intervention leicht zur Eskalation führen kann – von einem oder gar beiden gegen einen selbst. Penner-Pärchen z.B. neigen in der Tat dazu, sich gegenseitig die Fresse zu polieren – aber wehe, jemand bricht in diese merkwürdige “Zweisamkeit” ein … dann richtet sich der geballte Zorn beider gegen einen.
    Da man im Falle eines gewalttätigen Konflikts u.U. auch noch eine Anzeige wegen Körperverletzung am Hals hat, sollte man das Level der persönlichen Intervention schon weit anheben. Im Grunde bis dahin, wo jemand ganz offensichtlich eine überbordende Gewalt erleidet – denn dann ist erst ziemlich eindeutig Nothilfe angesagt.

    Oder man ist eben jemand wie einer meiner Trainingspartner, der viele Jahre beruflicherweise massiv Gewalt ausgeübt hat. Wenn der zu jemanden sagt: “Sofort aufhören oder ich schlag dich zusammen”, dann würde er das ohne Rücksicht auf Verluste tun – und genau deswegen glaubt ihm das jeder. Und genau deswegen funktioniert die Drohung – und es kommt zu gar keiner weiteren Gewalt. Ein vertrackter Mechanismus von Gewaltandrohung und -ausübung zwecks Deeskalation, aber genauso ist es leider im richtigen Leben.

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