Nun isses passiert. Die Frankfurter Rundschau hat Insolvenz angemeldet. Es war #15uhr (unter diesem Hashtag hat jemand live über die Mitarbeiterversammlung getwittert), als die Geschäftsführung gestern im brechend vollen Foyer des Depots in Frankfurt-Sachsenhausen den morgendlichen Gang zum Amtsgericht bestätigte. TV-Teams hielten dabei von draußen mit den Kameras auf unsere Gesichter.
Das Aufwachen am Tag danach ist schlimm. Es war nicht nur ein böser Traum. Diesmal geht es nicht um eine dieser schmerzhaften Sparrunden, von denen ich bei der Rundschau so viele erlebte (und immer wieder überlebte). Von meinen inzwischen zwölf Jahren als FR-Redakteurin verbrachte ich wohl zehn oder elf unter einem Damoklesschwert. Mit der Zeit wurde es ein vertrauter Begleiter. Als es gestern schließlich herabsauste, erschrak ich zutiefst. Man denkt immer, das Fallen würde seinen Schrecken verlieren, wenn man so lange Zeit schon auf einem schmalen Grat am Abgrund geht. Aber dann merkt man: Das tut es nicht.
Als ich im Jahr 2000 bei der Rundschau anklopfte, um einen Job als Redakteurin zu bekommen, war ich in der Krise. Kurze Zeit später begann die Krise der FR. Selbstverständlich gibt es da keinen Zusammenhang.
Was ich nicht alles in diesen Jahren und ganz besonders in diesen Tagen wieder lese über die Zeitung, bei der ich täglich ein- und ausgehe. Die alte Tante Rundschau. Unbeweglich, erstarrt, verschnarcht. Jaja. Schnee von gestern. In den letzten Jahren war die Frankfurter Rundschau eine der mutigsten Tageszeitungen in Deutschland.
Sicher, es war oft ein Mut der Verzweiflung. Er führte dazu, das Format aufs handliche Tabloid umzustellen. Damals konnte ich jeden verstehen, der vor einer Verflachung der Inhalte auf dem knapper gewordenen Raum warnte. Wer heute immer noch beklagt, die FR habe seit der Umstellung auf das kleinere Erscheinungsbild nur noch Häppchenjournalismus geliefert, scheint nur sehr oberflächlich darin geblättert haben. Stimmt, die Zahl der langen Lesestücke ist zurückgegangen. Aber es gibt sie – in einem Umfang, der noch immer zu dem Stoßseufzer führt, “wer denn das alles täglich lesen soll”.
Aber an der Frage, wieviel Zentimeter in der Höhe und Breite eine seriöse Zeitung denn mindestens brauche, mögen sich andere abarbeiten. Das Maß, nach dem ihre Zukunftsfähigkeit gemessen wird, liegt eh längst woanders.
Landauf, landab fordern kluge Köpfe von den Verlagen, sich dem digitalen Wandel zu stellen, statt ihre überkommenen Geschäftsmodelle etwa mit Hilfe des Leistungsschutzrechts hinüberzuretten. Ich sag’s wie es ist: Wir sind bei der Frankfurter Rundschau auf diesem Weg so weit vorangekommen wie nur wenige andere Tageszeitungen in Deutschland. Vor allem in den letzten anderthalb Jahren haben wir an vielen Stellen Neuland betreten. Es gab keine Vorbilder, keine bewährten Rezepte dafür, wie man aus einem Hauptprodukt aus Papier mit digitalen Anhängseln ein crossmediales Gesamt-Projekt macht. Wie man aus zwei Welten etwas Neues schafft, statt nur der einen das Kleid der anderen überzustülpen. Die größten Umwälzungen aber vollziehen sich für Außenstehende unsichtbar – in den Köpfen, zum einen, und in Workflows, die wir ganz neu erfinden mussten.
Wir sind auf dem Weg, aus einer Printredaktion eine Crossmedia-Redaktion zu machen, sehr weit gekommen. Das alles muss für was gut gewesen sein.
Als ich von der Insolvenz erfuhr, dachte ich sofort an dich. Wie du fühlst, weiß ich genau, befinde ich mich doch im Jahr 3 nach der Insolvenz „meiner“ Firma. Man überlebt, irgendwie, sogar überraschend gut, aber es lässt sich nichts mehr richtig planen. Und wenn man nicht schon immer so gestrickt ist, lernt man das Downgrading als echte Chance zu sehen, sein Leben erneut zu erden und zwischen wichtigem und unwichtigem endgültig zu unterscheiden. Du musst es aber nicht lernen, du warst und bist geerdet. Alles eine Charakterfrage.
Du, da lass mal meine hellsichtigen Fähigkeiten sprechen, wirst gestärkt und mit neuen Aufgaben und interessanteren denn jemals zuvor aus dieser Krise hervorgehen!