Alte Liebe III

Worum es geht.

Was bisher geschah.

Das selbstbewusste Auftreten ihres Verehrers scheint Luise von Gall zu imponieren. Es vergeht nicht viel mehr als eine Woche, bis sie Levin Schücking antwortet. Doch das Geplänkel wird getrübt: Luise muss eine sterbende Verwandte pflegen …

Mein Ritter!
Anders kann ich Sie nicht nennen, denn so erscheinen Sie mir, umgeben von dem Zauber jener romantischen Zeit! Wie fröhlich empfing ich Ihren poetischen Brief bei offnem Fenster; vorüberziehend der stolze Rhein, Freiligrath mit seinem Lächeln vor mir und ein Maler, der mich zeichnete – und die letzte Hand an ein gelungenes Bild legte – , dabei in meiner Seele die Aussicht auf eine schöne Reise … Das ist nun alles dahin! Ich sitze in einer Krankenstube; hinter dem Schirme liegt meine Cousine am Nervenfieber tödlich danieder, und ihr fliegender Atem im Fieberschlummer ist das einzige, was ich vernehme. …

Sie finden es vielleicht sonderbar, mein Herr Levin, dass ich von diesen Dingen mit Ihnen rede, aber von anderem kann ich nicht sprechen; und ich möchte Ihnen doch gerne etwas sagen und auch erklären, warum ich vielleicht, ja wahrscheinlich nicht nach Wien gehe, obgleich schon alle meine Anordnungen getroffen und meine liebsten Freunde mich dort erwarten. In diesem Falle käme ich auch über Nürnberg. Aber es ist besser, wir sehen uns noch nicht. Sie sind mir ein lieber Freund, ja, was noch mehr ist, mein erwählter Ritter, ich denke oft an Sie und immer mit heller Freude, ich weiß auch, daß ich in Ihren Augen etwas bin.

Würde dies aber fortwähren, wenn wir uns gesehen? Der Zauber des Romantischen wäre dahin, und ob ein anderer Zauber ihn ersetzen würde, ist eine große Frage. Behalten wir also unser sicheres Gut, mein lieber Freund! Sie sagen mir unendlich viel schöne Dinge, und obgleich ich sonst Komplimente verabscheue, so freuen mich diese, denn sie sind gewiss ehrlich gemeint, da sie an ein Ideal gerichtet sind, das sie selbst mit allem ausstatten können! Es sind keine Schmeicheleien, da Sie mich nie gesehen.

Aber über eines muss ich Sie doch belehren. Ich trage keine fliegenden Locken. Mein dunkelbraunes langes Haar ist glatt gescheitelt. Ich bin überhaupt einfach und schlicht, sogar in meinem Anzug. Wenn Sie an mich denken, so sehen Sie mich im schwarzen Kleide, denn andres trage ich nicht seit dem Tode meiner über alles geliebten Mutter.

Ich möchte Ihnen so gerne etwas Fröhliches, Erheiterndes sagen, aber in dieser Umgebung ist das nicht möglich. … Sie klagen über Einsamkeit und Gefangenschaft. Einsamer und gefangener wie ich kann niemand sein, ich habe auf Erden nur eine Freundin, und die ist in Ungarn; Sie sehen, mir geht es noch schlimmer wie Ihnen. Wundern Sie sich nicht, dass ich Ida Freiligrath nicht als meine Freundin nenne, sie ist es zwar, aber nur soviel als die Liebe zu ihrem Manne es ihr grade erlaubt. Mit einer Frau, die ihren Mann liebt, ist außerdem gar nichts anzufangen, sie hört auf, sie selbst zu sein, sie ist nur noch ein Spiegel, ein Echo; aber das gereicht ihr zum Ruhme – verstehen Sie mich recht. Mit den Männern geht es nicht so. Die sind vielseitigere Naturen. Sie können zugleich Gatte, Courmacher und Freund sein! …

Darüber fällt mir ein, dass ich Ihnen auch viel Schönes über Ihre “Poetischen Frauen” sagen will, die mir eine ungemein anziehende Lektüre waren. Sie haben eine wunderbare Kenntnis von Frauencharakteren, nur ist mir im ganzen Ihre poetische Frau zu weich; zum Beispiel: Sie lassen sie aus Mitleid heiraten. Das glaube ich von keiner wahrhaft poetischen Frau, sie stirbt aus Mitleid, aber heiraten – die Hand gilt uns Frauen höher als das Leben -, das heißt, wenn wir das sind, was wir sein sollen.

Sie lachen mich aus, weil ich so schnell meine Hand versagt. Sie werden sagen, entweder sei meine Behauptung oder mein Herz falsch; beides ist aber wahr. …

Leben Sie wohl, schreiben Sie mir bald, damit ich nicht vorher auch am Nervenfieber sterbe. Farewell! Farewell!

Fortsetzung…

Ein Kommentar

  1. Einfach nur schön, diese Briefe. :-)

    “Leben Sie wohl, schreiben Sie mir bald, damit ich nicht vorher auch am Nervenfieber sterbe. ” ;-)

    Wie lange mag ein Brief damals wohl unterwegs gewesen sein?

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