Kein Weg nach Rom

Ich spöttele ja gerne über meine katholische Vergangenheit. Die Wahrheit ist: Sie hat tiefe Wurzeln geschlagen. Auch gut fünfzehn Jahre, nachdem ich vor einem lustlosen Beamten meinen Austritt aus der katholischen Kirche erklärt habe, regt sich noch Leben in diesem verschütteten Winkel meines Wesens. Als Christin habe ich mich immer gefühlt – der Katholizismus aber ist bei mir offenbar so etwas wie in Bernstein eingeschlossene Dinosaurier-DNA.

Ich gestehe: Ich habe in der letzten Zeit durchaus daran gedacht, dem latent vorhandenen Gefühl von Heimatlosigkeit ein Ende zu machen. So, wie Johannes Paul II. mich damals aus der Kirche gejagt hat, so hätte mich ein neuer Papst – vielleicht – zum Wiedereintritt bewegen können.
Zugegeben, angesichts des Feldes, das Karol Wojtyla zu Lebzeiten bestellte, standen die Chancen schlecht. Aber lehrt nicht auch die Kirche, dass man die Hoffnung nie aufgeben soll?
Nun – daraus wird wohl nichts. Ausgerechnet Ratzinger! Der Super-Gau. Der Mann, über den gewitzelt wird, er bete nicht “Lieber Gott, mach mich fromm…”, sondern “Lieber Gott, ich mach dich fromm, wenn ich in den Himmel komm.” Der Mundtotmacher. Der Hardliner. Der Kirchenspalter. Lieber Gott – gib uns Karol zurück!
Ich bin nicht nur enttäuscht. Ich bin tieftraurig. Die Frauen, die landauf, landab ehrenamtlich für die katholische Kirche schuften und noch gestern hoffnungsvoll nacn Rom blickten in der bescheidenen Erwartung, künftig vielleicht doch die kirchliche Anerkennung zu bekommen, die ihnen bislang verwehrt wurde; die vielen engagierten Christen, deren kritische Auseinandersetzung mit ihrer Kirche mit Berufsverbot geahndet wurde – sie alle haben noch viel mehr Grund dazu. Bei mir ist es nur dieses verborgene Gefühl, das auch künftig keine Heimat bekommt.

9 Kommentare

  1. Nun, wenn Arik, der “Bulldozer” auf einmal linke Politik und sich zur Zielscheibe seiner eigentlichen Zielgruppe macht, besteht noch Hoffnung, dass auch Ratzinger, in ein Amt und die Umstände gepresst, erstaunliche Wendungen vollzieht…

  2. Niemand ist gezwungen fuer oder in der Kirche zu arbeiten. Ich verstehe auch nicht die Menschen, die einerseits Katholiken sein moechten, aber nicht die entsprechenden Konsequenzen ziehen, sondern die Freiheit beanspruchen, das zu glauben und so zu handeln, wie es IHNEN gefaellt.

  3. Oh, schade, daß ich nicht hier zuerst bei Dir gelesen habe, bevor ich Dir in meinem Blog geantwortet habe!

    Persönlicher Eindruck: mein Eindruck von Ratzinger durch die israelischen Medien ist viel positiver als der Deine. Da mir die Versöhnung mit dem Judentum, die Widerrufung der Christusmörder-Anschuldigung und andere tief verwurzelter Vorurteile, da also diese von Ratzingern vorangetriebenen Projekte mir lieb und teuer sind, schätze ich ihn anders ein.

    Gib ihm eine Chance. Du kannst ja dafür beten, daß er Dir dazu verhilft, in der Kirche wieder eine Heimat zu finden.

    Ich habe wirklich anscheinend genau in Deine Wunden Salz gerieben, ohne Willen, ohne Willen, tut mir sehr leid!

  4. Und noch was: frag Dich mal, warum der Mann an der Spitze der Kirche Dir so wichtig ist für Deinen Glauben? Es geht nicht um die Kirche oder den Papst. Es geht darum, woran man glaubt. Lies Dir einfach ein paar Grundsatztexte durch und prüfe, wie weit Du mitgehen kannst. Selbst dieses Beliefomat oder wie es heißt kann dabei ganz interessant sein…

  5. Hallo Lila,
    du brauchst dich wirklich nicht entschuldigen. Ich suche ja durchaus die Diskussion um die Person Ratzingers, um die Rolle der Kirche, um den Zusammenhang zwischen Kirche und Glauben, um die Bedeutung des Papstamtes usw. – insofern ist das alles ok; auch in deinen Kommentaren.
    Deine Einschätzung und dein Fokus tragen z.B. dazu bei, die Reaktionen in Israel differenzierter wahrzunehmen (hier gingen gestern Meldungen rum, dass die Wahl Ratzingers dort auf breite Skepsis stoße).
    Was meine persönliche Kirchengeschichte angeht: Es scheint schwer, Nicht-Katholiken verständlich zu machen, welche inneren Kämpfe sich in katholisch erzogenen Christen abspielen können.
    Davon abgesehen macht es aber wirklich überhaupt nichts, wenn irgendwer irgendwas nicht versteht. ;)

  6. Bestimmt ist das schrecklich. Wie gesagt, ich lebe mit meinem Protestantismus in großem inneren Frieden. Natürlich habe ich es dann leichter, den neuen Papst positiv zu sehen.

    Ha, ich wüßte mal gerne, wer in Deutschland die Reaktionen Israels beurteilt. Johnannes Paul II war nach seinem Besuch hier, nach seinem Engagement für den interreligiösen Dialog hier SO populär wie sonst kein Christ. Und Ratzinger war wohl damals dabei und hat hier einen riesigen Eindruck gemacht. die Links zur Jerusalem Post, in der heute früh gleich drei begeisterte, verständnisvolle und respektvolle Reaktionen waren, habe ich in meinem Link gepostet.

    Auch wenn ich nicht verstehe, versuche ich es wenigstens…

  7. Beliefnet.com fördert ein interessantes Ergebnis zutage. Erwartbar, was weit oben rangiert, aber erschreckend, dass S*ientology – wenn auch weit unten in der Liste – mir näher stehen soll als der Katholizismus. Can’t believe it! :|

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