Wenn es wichtig wird, kann ich die Proportionen erkennen. Ich weiß, ich habe Schlimmeres erlebt. Wenn ich das gemeistert habe, meistere ich auch neue Probleme.
Morten Boje, der das heute sagt, hat vor zehn Jahren den Untergang der Fähre Estonia überlebt. Ein Satz, den wohl die meisten so oder ähnlich sagen würden, wenn sie eine schwere Krise, eine Krankheit, einen Unfall oder den Tod eines nahen Menschen überlebten. Man geht durch die Hölle wie durch ein Bad aus Stahl, und wenn man herauskommt, ist man zwar nicht unverletzlich – aber man fühlt sich zumindest so.
Berührt hat mich das Eingeständnis von Morten Boje, dass er kein Held war, als die kalte Ostsee in die Fähre schwappte:
Die Estonia handelt für mich viel von meinem egoistischen Kampf zu überleben. Das Dilemma, mit dem ich konfrontiert war, und die Entscheidungen, die ich traf, sind nicht so, wie ich mir gewünscht hätte. Wenn ich nur einem Menschen geholfen hätte, so hätte ich gerne überlebt, sagt er. Aber auch: Objektiv gesehen hatte ich keine Chance, jemanden zu retten.
Einmal, ganz kurz nur, sollte man sich in diese Situation versetzen, die Boje beschreibt. Um zu erkennen, dass es nicht nur schwierige Situationen sind, die wahre Helden machen, sondern viel mehr noch die Jahre danach.
Der ganze Text: Täglich sinkt die Estonia
“Niemand weiß, wie weit seine Kräfte gehen, bis er sie versucht hat.” Goethe.
Oder gezwungen wurde, sie zu versuchen. Und wir alle können wohl froh sein, wenn wir nicht in eine existenzielle Gefahr geraten – denn falls wir sie überleben, werden wir etwas von uns sehen, was wir niemals hätten entdecken wollen.