Eins werde ich wirklich vermissen nach der Neuwahl: Matthias Richlings unnachahmliche Ulla Schmidt-Parodien. Der Noch-Gesundheitsministerin geht es offenbar ähnlich, und sie stürzt sich derzeit auf das einzige halbwegs erfolgversprechende Wahlkampfthema: Bürgerversicherung versus Kopfpauschale Gesundheitsprämie.
Die Union, stets das Hohelied von der Senkung der Lohnnebenkosten auf den Lippen, will den Arbeitgeberanteil an der Krankenkassenbeiträgen einfrieren, und Otto und Luise Normalarbeitnehmer (gesetzlich versichert) sollen allesamt den gleichen Betrag einzahlen: 109 Euro waren es vor einem guten halben Jahr, aber da waren Bundestagswahlen ja auch noch noch lang hin. Heute nennen die Unionsstrategen weder diesen noch einen anderen Betrag. Können sie ja auch gar nicht. Jeder weiß, dass 109 Euro pro Nase nicht reichen werden: Meine Krankenkasse zum Beispiel bekommt von mir derzeit rund 370 Euro monatlich (und nochmal den gleichen Betrag von meinem Arbeitgeber). Können Merkel und Stoiber nicht rechnen? Doch, können sie. Aber erst nach der Wahl. (Offizielle Sprachregelung: Nach dem Kassensturz.)
Der Einheitsbeitrag ist nur ein Teil des Irrtums. Der viel größere Fehler liegt in dem Paradigmenwechsel, der da heißt: Die Steigerungen der Gesundheitskosten müssen von den Lohnnebenkosten abgekoppelt werden, Arbeitgeber dürfen von steigenden Kosten in diesem Bereich nicht länger mitbelastet werden.
Warum eigentlich nicht?
Wer Vollzeit arbeitet, steht mindestens acht Stunden täglich (und damit während der Berufszeit ein Drittel seines Lebens) dem Unternehmen zur Verfügung. Mit seiner Kreativität, seinem Engagement – ganz sicher aber mit seiner Gesundheit. Was das heißt, dürfte den meisten klar sein. Persönliches Beispiel: Nach nur zehn Jahren Berufstätigkeit habe ich und mit mir Hunderttausende massive Rückenprobleme. Mein Bruder, gerade 40 und eben mal 15 Jahre im Job, darf seit seinem Bandscheibenvorfall nicht mal mehr seinen kleinen Sohn hochheben. Und dabei haben wir beide noch das Privileg, so gut wie keine körperlich harte Arbeit leisten zu müssen.
Wer bestellt, muss (mit-)zahlen: Wenn ich gesundheitliche Probleme bekomme, weil ich ein Drittel meiner Lebenszeit in Rahmenbedingungen absolviere, über die allein mein Chef verfügen kann, dann muss er – logisch – auch ein Drittel meiner Krankenversicherung tragen. Ein Drittel, wohlgemerkt – nicht die Hälfte. Insofern wäre eine Änderung des bestehenden Modells durchaus gerecht und darüber hinaus geeignet, dem Klageliedchor über ach so hohe Lohnnebenkosten entgegenzukommen.
Den Arbeitgeber aber von der Kostenentwicklung im Gesundheitsbereich völlig abzukoppeln, als würde man eine Käseglocke über ihn stülpen, damit er von der bösen Welt da draußen nichts mehr mitbekommen muss – dafür gibt es keinerlei Rechtfertigung. Klar, mein Chef kann wenig dafür, wenn die Ausgaben der Krankenkassen steigen. Ich aber auch nicht! Und es wundert schon ein bisschen, dass in dieser Frage ausgerechnet die Anbeter der ungebremsten freien Marktwirtschaft einen bestimmten Teil der Bevölkerung davon verschonen wollen – die Arbeitgeber nämlich.
Die Noch-Opposition argumentiert, dass die Unternehmen dringend entlastet werden müssen, damit sie Arbeitsplätze schaffen können. Das könnte mich überzeugen, wenn für Arbeitnehmer ebenso dringend Entlastung gefordert würde. Die müssen zwar keine Arbeitsplätze schaffen, sollen aber dafür die Konjunktur ankurbeln. Das dürfte schwer werden, wenn sie für steigende Gesundheitskosten künftig allein aufkommen müssen.