Johannes Paul Superstar

Als die erlösende Nachricht kam, öffneten wir ein Fenster zur Altstadt und ließen das Glockengeläut der nahen Kathedrale ins Zimmer. Am Tag danach enstand dort dieses Bild.

Mein Papst ist tot, schoss mir am Samstagabend durch den Kopf, und sofort danach folgte: Ja, spinn ich jetzt? Dass mir eine solche Formulierung einmal freiwillig einfallen würde – ich hätte es nicht für möglich gehalten. Mein Papst? Spielten mir meine katholischen Wurzeln da einen Streich? Johannes Paul II. war für mich vor 15 Jahren der entscheidende Grund, aus der katholischen Kirche auszutreten. Er hatte sich dem Aufbruch und der Öffnung der Kirche in den Weg gestellt, die Zugbrücken hochgezogen und sich in mittelalterlichen Moralvorstellungen verbarrikadiert. Mein Leben wäre für ihn ein Greuel gewesen, bestenfalls erbarmenswert und eines Bittgebetes würdig. Mein Papst?

Und zugleich war da der andere Papst, der Außenpolitiker, der gegen die Unterdrückung in der Welt zu Felde zog, die er innenpolitisch doch beförderte. Während er nach innen Kritiker wie Küng und Drewermann mundtot machte, rief er nach außen zu Revolution auf. In vielen Fernsehbeiträgen der vergangenen Tage scheint es, als habe Johannes Paul II. quasi allein den Kommunismus besiegt – fast konnte man den blauen Superman-Anzug mit dem großen S auf der Brust unter dem päpstlichem Gewand hervorblitzen sehen. Am Kapitalismus jedoch biss er sich die Zähne aus, mein Papst.

Und da war der große Kommunikator: Johannes Paul in Kirchen, Moscheen und Synagogen. Ein Papst, der sich um den Dialog zwischen den Religionen bemühte – und, gepaart mit seinem leidenschaftlichen Nein zum Irak-Krieg, damit ein Zeichen gegen den viel beschworenen “Krieg der Kulturen” gesetzt hat. Mein Papst.

Als George und Laura Bush ihre Trauer um Johannes Paul II. in Szene setzten, würdigte der Präsident nur die Seiten des Papstes, die ihm genehm waren. Die päpstliche Kritik an Bushs Irak-Politik blieb unerwähnt. Sie hätte das Bild gestört, das Bild von seinem Papst.

Allen, die versuchen, den ganzen Papst zu sehen, flutscht dieser Pontifex durch die Finger wie ein Stück nasse Seife.

Johannes Paul II. soll um die 80.000 gedruckte Zeilen hinterlassen haben. Vieles kann man u.a. im Schriften-Archiv der Deutschen Bischofskonferenz nachlesen.

Der Dank an den Herrn für seinen Plan bezüglich der Berufung und Sendung der Frau in der Welt wird auch zu einem konkreten und unmittelbaren Dank an die Frauen, an jede Frau, für das, was sie im Leben der Menschheit darstellt.
Dank sei dir, Frau als Mutter, die du dich in der Freude und im Schmerz einer einzigartigen Erfahrung zum Mutterschoß des Menschen machst, die du für das Kind, das zur Welt kommt, zum Lächeln Gottes wirst, die du seine ersten Schritte lenkst, es bei seinem Heranwachsen betreust und zum Bezugspunkt auf seinem weiteren Lebensweg wirst.
Dank sei dir, Frau als Braut, die du dein Schicksal unwiderruflich an das eines Mannes bindest, in einer Beziehung gegenseitiger Hingabe im Dienst an der Gemeinsamkeit und am Leben.
Dank sei dir, Frau als Tochter und Frau als Schwester, die du in die engere Familie und dann in das gesamte Leben der Gesellschaft den Reichtum deiner Sensibilität, deiner intuitiven Wahrnehmung, deiner Selbstlosigkeit und deiner Beständigkeit einbringst.
Dank sei dir, berufstätige Frau, die du dich in allen Bereichen des sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen, künstlerischen und politischen Lebens engagierst, für deinen unverzichtbaren Beitrag zum Aufbau einer Kultur, die Vernunft und Gefühl zu verbinden vermag, zu einem Verständnis vom Leben, das stets offen ist für den Sinn des “Geheimnisses”, zur Errichtung wirtschaftlicher und politischer Strukturen, die mehr Menschlichkeit aufweisen.
Dank sei dir, Frau im Ordensstand, die du dich nach dem Vorbild der größten aller Frauen, der Mutter Christi, des fleischgewordenen Wortes, in Fügsamkeit und Treue der Gottesliebe öffnest und so der Kirche und der ganzen Menschheit hilfst, Gott gegenüber eine “bräutliche” Antwort zu leben, die auf wunderbare Weise Ausdruck der Gemeinschaft ist, die er zu seinem Geschöpf herstellen will.
Dank sei dir, Frau, dafür, daß du Frau bist! Durch die deinem Wesen als Frau eigene Wahrnehmungsfähigkeit bereicherst du das Verständnis der Welt und trägst zur vollen Wahrheit der menschlichen Beziehungen bei.

Aus: Brief Papst Johannes Pauls II. an die Frauen, 29. 6. 1995

Im übrigen zeigt die Tatsache, dass Maria, die Mutter Gottes und Mutter der Kirche, nicht den eigentlichen Sendungsauftrag der Apostel und auch nicht das Amtspriestertum erhalten hat, mit aller Klarheit, daß die Nichtzulassung der Frau zur Priesterweihe keine Minderung ihrer Würde und keine Diskriminierung ihr gegenüber bedeuten kann, sondern die treue Beachtung eines Ratschlusses, der der Weisheit des Herrn des Universums zuzuschreiben ist.
Aus: Apostolisches Schreiben von Papst Johannes Paul II. über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe, 22. 5. 1994

2 Kommentare

  1. Da frage ich mich immer wieder:Ist ein Mensch nur gut oder schlecht? Dumm oder klug? Liebevoll oder lieblos, engagiert oder nachlässig?
    Ich merke immer wieder wie viele Abstufungen, Farben und Grautöne es doch gibt. Manchmal so schön für die Augen und dann wieder so abstoßend. Dieser unglaublich engstirnige Mann, der doch dann wieder so weit sein konnte. Ein Mensch. Irgendwie habe ich ihn doch gemocht.

  2. hmm. Ich kann deine erste Reaktion gut verstehen. Obwohl sehr lutherisch (und damit tendenziell papistenfeindlich), hat mir immer wieder dieser papst auch imponiert – vor allem seine unglaubliche Modernität. Und sein so radikales Eintreten für das Leben, was ja jeweils der einen Seite dann nicht gefällt.
    Trotz all der Kritik, die ich von so vielen Linkskatholiken kenne, hat JPII ja die Kirche auch zur Welt geöffnet – vielleicht anders, als wir es gemacht hätten :-) aber immerhin…

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