Kollegen fürs Leben

Wer fünf Tage die Woche zusammensitzt, womöglich noch im Großraum, kennt sich. Es soll Kollegen geben, die merken sogar am Fall der Haare, wenn du das Shampoo wechselst.
Schreibt Nicola Holzapfel im Lockbuch (leider erst, nachdem sie sich durch das unvermeidliche Oh-Gott-Weihnachten-kommt-immer-so-schnell-was-schenke-ich-dieses-Jahr-denn-bloß gearbeitet hat. Werde ich je erleben, dass eine Vorweihnachtszeit ohne Kolumnen dieser Art auskommt?).

Zurück zum Großraumbüro. In so einem sitze ich nämlich auch. Ein Büro mit sieben oder acht Schreibtischen, so genau weiß das keiner mehr, seit vor einigen Jahren die nordwestlich gelegene Ecke des Raumes unter einem Papiergebirge verschwunden ist. Klappernde Tastaturen, klingelnde Telefone, leise brummende Rechner, ein ratterndes Faxgerät, ein asthmatisch hustender Drucker, eine gurgelnde Espressomaschine, ein nörgelnder Infografiker, der zwischen zwei Charts mit Papierkügelchen um sich wirft – eben genau so, wie alle sich eine Zeitungsredaktion vorstellen, die mit Lou Grant aufgewachsen sind.

Irgendeinem ist immer zu kalt, einem anderen immer viel zu warm, ein ganz Bestimmter beschwert sich immer über den Lärm, der von der viel befahrenen Stiftstraße durch die gekippten Fenster heraufdringt. Irgendeiner hat immer gerade einen verrückten Link entdeckt und beglückt alle anderen damit, irgendwer kommt immer gerade kopfschüttelnd aus einer Konferenz zurück, in der es immer um Kommunikationsprobleme oder fehlende Transparenz oder beides ging, irgendeiner hat immer gerade frei und irgendwie dann doch nicht und weist per Mail auf dead links in unserem Internetauftritt hin, diesem gemeinsamen Baby, um das sich alles dreht. Immer hat das Mittagessen niemandem geschmeckt und irgendwer muss immer mal eben uff de Gass und frische Luft schnappen oder neuen Kaffee besorgen oder zur Post oder zur Bank oder kannste mir mal einen Fünfer leihen? Nachdem ich den Anfang gemacht hatte, haben bald alle mal den neuen Billigfriseur von gegenüber ausprobiert, wobei meinem zugegeben unkundigen Auge auf den kurz geschorenen Köpfen der Kollegen nie ein Unterschied zu vorher auffällt – sie alle hatten schon vorher diesen ratzekurzen Flowbee-Schnitt.
Hach, ich mag sie einfach. Den asketischen Japanologen, der in der Kantine meist den Fisch nimmt; den genussfreudigen Workaholic mit dem Chaos im Kopf und im Terminkalender und auf dem Schreibtisch (ja, das ist der in der nordwestlichen Ecke), den ebenso fleißigen und gelassenen Vater von zwei kleinen Kindern, den wissbegierigen Neuen in der Runde. Sogar den Infografiker, auch, wenn er seine Wochenenden auf dem Hochsitz im Wald verbringt. Jedenfalls, solange er im Büro nur mit Papierkügelchen schießt.
Einen lieben Kollegen wirst du … immer vermissen, hat Nicola Holzapfel festgestellt. Das stimmt.

4 Kommentare

  1. Das mit dem Fisch-Essen hat aber nix mit dem Japanologentum zu tun! Ansonsten: So ein toller Laden sind wir? Jawohl, das sind wir!

    (Aber was ist “Flowbee”?)

  2. So ist es. Danke für die Blumen, die Aufklärung über Flowbee – und den Fisch! Grüße aus der nordöstlichen Ecke.

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