Warum macht es diese US-Regierung einem so verdammt schwer (wenn auch nicht unmöglich), Mitgefühl mit einem der ihren zu empfinden?
Statt angesichts der entsetzlichen Bilder von einer Enthauptung vor laufender Kamera wenigstens für einen Moment inne zu halten, zu schweigen und sich zu fragen, wie es zu diesem furchtbaren Schlamassel kommen konnte, faselt die Bush-Administration von der “wahren Natur der Feinde”. So sind sie also, die Iraker (oder, wahlweise, die Afghanen, die Nordkoreaner, die Iraner …). Sadistisches Verhalten im eigenen Lager dagegen wird als “unamerikanisch” bezeichnet. So sind sie nicht, die Amerikaner.
Genau da liegt die unerträgliche Überheblichkeit: Bush und Co reden ihrem Land und der Welt ein, sie seien die besseren Menschen. Auch wenn einige von ihnen jeden Tag an irgendeinem Ort der Erde das Gegenteil beweisen – so, wie einige Iraker, Afghanen, Nordkoreaner, Iraner…
Wer das Brutale bekämpft, wird sich mental dem Brutalen annähern (müssen). Und die Gesellschaft wird sich – besonders nach dem 11.9. – einen Stamm an Menschen leisten müssen, die sich diesem aussetzen, um die anderen zu beschützen und den anderen die Freiheit zu ermöglichen, moralisch hohe Maßstäbe zu erfüllen. Aber dieser Stamm wird sich gerade wegen der Gefahr, zu sehr dem Feind gleich zu werden, einem Set straffer Regeln unterwerfen müssen. Das ist in Irak offensichtlich nicht der Fall.
“Wer das Brutale bekämpft, wird sich mental dem Brutalen annähern (müssen).”
Mir scheint, nach dieser Logik ist bereits der Nahost-Konflikt eskaliert – bis zu einem Punkt, an dem niemand mehr einen Ausweg aus der Gewaltspirale weiß.
Der eine Weg führt in die Sackgasse. Aber der andere in die Versklavung.
Man kann Kräften, denen ein rationaler Diskurs fremd ist (ich erinnere mich an die Schule…Lessings “Nathan der Weise”, wo meiner Erinnerung nach der Kirchenvertreter auf jedes noch so vernünftige Argument stereotyp wiederholt: “Egal, der Jude wird verbrannt”).
Toleranz und Liberalität wollen verteidigt sein – und es ist ihr bitteres Schicksal, dass dies nicht immer geht, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Aber, wie gesagt: Gerade deswegen braucht es Aufsicht und Kontrolle und ein hohes Maß an Einsicht in diesen Prozess (der scheint bei der Bush-Regierung nicht vorhanden zu sein – außer bei Powell vielleicht, kurioserweise dem einzigen Soldaten unter lauter zivilen “Falken”, die es wohl krachen lassen wollen, ohne zu wissen, was sie tun). In Israel bspw. wird sehr wohl diskutiert, was die Gewalt, die die jungen Mitglieder dieser Gesellschaft, erfahren und ausüben, mit ihnen macht – und was das für den zukünftigen Zustand von Staat und Gesellschaft zu bedeuten hat.
Hier ein guter Text aus dem neuen Reinhard Mey Album
“Wer das Brutale bekämpft, wird sich mental dem Brutalen annähern (müssen).” Mit Verlaub, woher hast du diesen Unsinn, den du wie eine Regel präsentierst?
Sorry, ojb, selbst auf die “Gefahr” hin, mich erneut als Naivling zu outen, du solltest mehr von Gandhi lesen.
Immerhin, er hat Indien von den damals sehr brutalen Briten befreit ohne sich dabei ihrer Brutalität mental angenähert zu haben.
Ich schätze aber, du lässt auch das nicht gelten und findest, genau wie der Kriegshetzer Scharon, unentwegt weitere Gründe, weshalb du andere Weltbilder als dein eigenes nicht akzeptieren wirst.
Ach Georg, ich akzeptiere dein Weltbild. Bewahre es dir. Übrigens verfängt der Verweis auf Gandhi nicht – denn der konnte mit seinem Konzept des gewaltlosen Widerstandes deswegen reüssieren, weil ihm eben nicht ein Gegner mit absolutem Vernichtungswillen gegenüberstand. So brutal waren die Briten denn doch nicht. Sie haben sich an ein Minimum an Spielregeln gehalten. Deine Lektüreempfehlungen brauche ich daher gewiss nicht (aber sicherlich hätte ich auch ein paar für dich). Die Israelis übrigens, auch unter dem Kriegshetzer Sharon, benehmen gleichfalls sich relativ zurückhaltend – denn wenn sie die Hunde des Krieges wirklich von der Leine ließen, hätten sie das Hamas-Problem sehr schnell gelöst. Allerdings bliebe dann von Gaza etc. in der Tat nichts mehr übrig. Und von solch einer Politik der verbrannten Erde hält noch nicht mal der israelische Generalstab was.
Und den Unsinn, den ich präsentiere, habe ich aus eigener Erfahrung und mehr noch aufgrund der Erfahrungen von Leuten, die einen solchen Job gemacht haben. Und ich äußere den Unsinn als Ex-SozPäd, der sich ein bißchen mit psychologischen Mechanismen auskennt.
Und du lies noch ein bißchen Gandhi und hoffe, dass er dir hilft, wenn vielleicht mal dein Kopf von ein paar vermummten Gestalten abgeschnitten wird.
ohje obj, hastes nicht ne Nummer kleiner? möchte fast jubeln über das Ex vor dem SozPäd … welch eine Vorstellung, Sozialpädagogen würden das soziale Klima im Lande derart extremistisch aufzuheizen versuchen.
Dieser Stamm von Menschen, die mit moralisch hohen Maßstäben meine Freiheit ermöglichen, sollen/müssen sich also mental dem Brutalen annähern, um sie verteidigen zu können?
Wie soll/kann das aussehen? Sie werden so denken, wie das Brutale, sie werden so fühlen, sie werden sich in den Gegner hineinversetzen, um mit dem Wissen, dem Gefühl immer ein Schritt schneller zu sein, um Brutalität zu verhindern?
Ja, vielleicht rette ich meinen Kopf vor ein paar vermummten Gestalten, doch wer garantiert mir, dass nicht ein paar unvermummte Gestalten in Uniform, die Nächsten sein werden, die meinen Kopf fordern, weil sie den hohen, moralischen Ansprüchen doch nicht gerecht werden können? Oder ich vielleicht ihren demokratischen Vorstellungen mit meiner Meinung nicht entspreche?
Der Mensch hat nun mal die Freiheit sich zwischen Gut und Böse zu entscheiden und das hat leider nicht immer was mit Moral zu tun. Wir haben es hier nicht mit Robotern zu tun, die auf „gut“ programmiert sind, sondern mit Menschen, die fehlbar sind.
„Toleranz und Liberalität wollen verteidigt sein – und es ist ihr bitteres Schicksal, dass dies nicht immer geht, ohne sich die Hände schmutzig zu machen“.
Es hat sich in der Geschichte schon mal jemand die Hände in Unschuld reingewaschen und ein Todesurteil unterschrieben!
Entgegen vieler Mutmaßungen : Ich, Georg, bin nicht Achim!
Achim, bitte melde dich!
Hallo Leute, vieleicht versucht ihr doch mal genauer zu lesen, bevor ihr drauflospostet. Vor allem du, Filzchen. Ich schrieb: “Aber dieser Stamm wird sich gerade wegen der Gefahr, zu sehr dem Feind gleich zu werden, einem Set straffer Regeln unterwerfen müssen.” Und dass der Stamm, der sich der Brutalisierung aussetzt gewiss keine hohen moralischen Maßstäbe hat – aber den anderen diese ermöglicht. Denn, richtig, Filzchen, auch die Gegengewalt korrumpiert. Und manche erholen sich davon nie. Deswegen noch mal: Aufsicht und Kontrolle ja – aber ihr/wir werden auf diese Leute nicht verzichten können, wenn wir auch in Zukunft Meinungsfreiheit, Liberalität und Toleranz genießen wollen. Und ich versteh ganz und gar nicht, was an dieser Einschätzung extremistisch ist: Ein bißchen weniger Appeasement und Leisetreterei und ein paar Millionen Juden könnten noch leben.
Ordnungsruf: Bislang hat hier niemand “drauflos gepostet”. Sonst würden hier andere, weitaus weniger durchdachte Kommentare stehen.
Danke für die Aufmerksamkeit. Weitermachen.
Dito, Oliver! Ich schrieb: Der Mensch hat nun mal die Freiheit sich zwischen Gut und Böse zu entscheiden und das hat leider nicht immer was mit Moral zu tun. Wir haben es hier nicht mit Robotern zu tun, die auf „gut“ programmiert sind, sondern mit Menschen, die fehlbar sind.
Wie sehen denn diese Regeln aus, wer macht sie und wer will und wird diese Regeln kontrollieren.
Regeln dieser Art sind doch da, weltweit sogar! Und wie sieht die Wirklichkeit aus?
Muß mich hier mal für ein paar Stunden ausklinken.
Gutes Kommentieren weiterhin.
Herrje, ojb, gib’s auf: Die wohlgenährten Europäer haben vergessen, wer sie im Zweiten Weltkrieg befreit hat, wer diesen Krieg geführt hat, dass in diesem Krieg gefangengenommene Wehrmachts- und SS-Offiziere bei Verhören gewiss nicht mit Samthandschuhen angefasst wurden. Sie haben vergessen, dass ihnen jeder krieg egal war, solange weit genug weg und dass sie immer nur in ängstliches Muhen ausbrechen, wenn er ihnen auf die Pele rückt. Typisch saturiertes Denken halt. Lass sie in ihren Wolkenkuckucksheimen, wo sie von der besten aller Welten träumen können…Sie werden schon aufwachen, wenn ihnen der Terror genug Feuer unterm Hintern macht. Meistens sind es dann die ganz Liberalen, die dann entsetzt schreien: “Wer schützt uns davor?”
Ah, das muss ich also aus der deutschen Vergangenheit lernen – den Befreiern von damals heute völlig unkritisch gegenüberzustehen, ganz wurscht, ob sie heute Menschenrechte mit Füßen treten. Ich glaubte bislang, aus der deutschen Vergangenheit wären andere Lehren zu ziehen. Zum Beispiel, wohin es führt, wenn Kontrolle fehlt. Wenn ein Rechtsstaat Stück für Stück dem Überwachungsstaat Platz macht. Wenn eine Nation sich gottberufen fühlt und als höherwertig betrachtet. Wo hab ich nur meinen Kopf.
Danke an Georg für den Verweis auf Gandhi. In den 80er Jahren wurde gerade hierzulande noch “Soziale Verteidigung” und “Gewaltfreie Aktion” diskutiert. Heute geht es nur noch um Auslandseinsätze der Bundeswehr und ihre Umformung zur “Krisenreaktion”. Auf welche Krisen wird denn da reagiert? und wer hat eigentlicherst diese krisen geschaffen? Was hat das mit Anti-Amerikanismus zu tun, wenn ich feststelle, dass die Amis alle Schlagetote der Welt mit waffen ausrüsten, um sie hinterher niederzubomben (inkl. der unschuldigen Bevölkerung), weil ihnen die selbstgeschaffenen Tyrannen entglitten sind. Und bloß, weil sie Europa von Hitler befreit haben, muss man darüber hinwegsehen?! Es braucht weniger Schlagetote als mehr Friedenskonzepte und Friedenserziehung, das militaristische Denken muss raus aus den Köpfen.
@yeh
Aber hallo! Mal tief Luft holen – gerade solche Kommentare, lassen mich wach werden und nicht aufhören, darüber nachzudenken, wie es wohl aussehen mag, wenn ich mit meiner Meinung den sogenannten Beschützern der Freiheit in die Arme laufe.
Nein, ich habe nicht vergessen, wer meine Eltern und Großeltern „befreit“ hat, wer wissentlich Land und Menschen bombardiert hat (auf beiden Seiten). Ich habe auch nicht vergessen, wieviel Leid und Brutalität es auf beiden Seiten gab. Ich habe nicht vergessen, dass mein Großvater verhungerte, dass mein Vater als Jugendlicher in den Krieg gezogen wurde, dass meine Großmutter Papiere fälschte, weil die Familie nicht rein arisch war. Ich habe auch nicht die Eindrücke aus Auschwitz wegschieben können, die mich bewegten, auch nicht die vielen Begebenheiten in Israel, die ich kurz nach dem 6-Tage Krieg erlebt habe.
Mir ist kein Krieg egal (wieso unterstellst du das so einfach) und jeder Krieg ist mir schon nah genug. Dir doch sicherlich auch!
Auch ich suche nach Möglichkeiten, nach Lösungen. Sind wir uns doch auch in diesem Punkt einig. Das sie nicht unbedingt mit den deinen/euren übereinstimmen, bedeutet doch nicht gleich saturiertes Denken.
Laß mich meine Meinung bilden und lernen – auch an dieser Diskussion. Und dafür brauche ich kein Feuer unter dem Hintern!
Also sorry: Ich hab ein – meiner Meinung nach: moderates – Plädoyer für die wehrhafte Demokratie gehalten. Schließlich möchte ich auch, dass sie erhalten bleibt. Ich habe weiter – ganz bewusst! – auf die Problematik hingewiesen, dass Toleranz und Liberalität offensichtlich gegenüber denen, “die den Tod lieben”, nicht nur mit guten Argumenten und Entwicklungshilfe verteidigt werden können, sondern dass es dazu Militär, Geheimdienste und Spezialkräfte braucht – und dass die Menschen, die in diesen Einheiten dienen, sich der Gefahr aussetzen, ihrem Feinde ähnlich zu werden, weil Gewalt korrumpiert (das wäre übrigens ein Argument für Gandhi-Georg ;-).
Mehr wollte ich eigentlich nicht sagen, egal, was yeh jetzt daraus macht. Wenn ihr’s mir nicht glaubt, dann vielleicht der Frankfurter Rundschau und ihrem Standpunkte-Autoren Christian Büttner von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, der auf der gestrigen Standpunkte-Seite u.a. klarstellt, dass Soldaten auch im demokratisch legitimierten Krieg seelischen Verwerfungen ausgesetzt sind. Aber gibt es deswegen keine demokratisch legitimierten Kriege?
Last not least: Was immer für Verdienste die USA in der Vergangenheit hatten – derzeit werden sie von einem Haufen wildgewordener Irrer regiert (in deren Reihen der einzig halbwegs Vernünftige kurioserweise ein Ex-General ist). Bleibt nur auf Kerry zu hoffen – ein Ex-Krieger, der aus seinen Erfahrungen in Vietnam gelernt zu haben scheint.