Schamgrenzen

Stürmische Zeiten: Draußen biegt der Wind die Bäume, wirbelt Blätter und Papier hoch in die Luft. Ab und zu fliegen die Schlagzeilen der vergangenen Woche an meinem Fenster vorbei. (Wie wird man stürmische Atmosphäre filmisch darstellen, wenn es einst keine Zeitungen mehr gibt?) Eine Frau legt ihre Ämter nach einer Alkoholfahrt nieder und nimmt ihre eigene Integrität so ernst, dass sich die Herren in hohen Ämtern die Augen reiben. Herrje! Was, wenn das Schule macht?

Erinnert sich noch jemand an Otto Wiesheu von der CSU? Der hatte sich in den 80er Jahren mit mehr als 1,7 Promille ans Steuer gesetzt und einen Menschen getötet. Später wurde er in Bayern Staatsminister für Verkehr. In Hessen regiert noch immer ein Ministerpräsident der CDU, der die Öffentlichkeit über Schwarzgeld und gefälschte jüdische Vermächtnisse belogen hat. In Berlin verteidigt dieser Tage der Grüne Jerzy Montag die Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch und findet allen Ernstes, es sei unverhältnismäßig, einen 75-jährigen für Taten zu bestrafen, die 30 oder 40 Jahre zurückliegen. Wie bitte? Geht’s noch? Tausende Opas dieser Sorte sollen hierzulande gemütlich im Lehnstuhl sitzen bleiben, ihre Enkeltöchter auf dem Schoß, weil sie doch so arm und alt und hilflos wirken und überhaupt, alles so lange her ist, quasi schon gar nicht mehr wahr?!

Zeit, die Schamgrenzen in diesem Land neu zu ziehen.