Über die Grenze

Auf Usedom kann man die Staatsgrenze überschreiten, ohne es zu merken – jedenfalls, wenn man beim Radeln entlang der Ostsee nicht so genau hinschaut. Drei Kilometer südöstlich von Ahlbeck markiert nur eine kleine, sandige Schneise zwischen zwei Wäldern den Übergang vom deutschen zum polnischen Teil der Insel.
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Zwischen den Wassern

Nach ein paar stürmischen Tagen klart der Himmel wieder auf: Sonne, ab und zu scheucht die immer noch frische Brise ein paar Schäfchenwolken daran vorbei – perfektes Wetter für eine Radtour an der Küste.

Bei Bansin erhebt sich eine Steilküste über den Strand – also hieß es erstmal klettern, bis hinauf auf den Langen Berg, die höchste Erhebung hier. Weiterlesen →

Der Traum vom Fliegen

Dass der Wunsch, einfach abzuheben und auf und davon zu fliegen, gerade hier, an diesem Ort, übermächtig wurde – irgendwie kann man es verstehen, wenn man nach Anklam kommt.

Das Hansestädtchen wirkt, als sei es vom Wasser an den Peenestrand gespült und dort vergessen worden. Verwitterte Fassaden, Kopfsteinpflaster, wie ausgestorben scheinende Gässchen, heruntergekommene Schaufenster, ein überdimensionierter Marktplatz, an dessen Rand sich drei, vier rollende Marktstände verlieren, ein Brunnen in der Mitte, wo werktags junge Menschen in nietengespicktem Leder sitzen. Um die Ecke die Nikolaikirche, für deren Instandsetzung auf Plakaten um Spenden gebeten wird, und die damit wirbt, dass in ihren Mauern der berühmteste Sohn der Stadt getauft wurde. Otto Lilienthal.

Die Beobachtung der fliegenden Tiere lehrt, dass es möglich ist, mit Hülfe von Flügeln, welche eigentümlich geformt sind, und in geeigneter Weise durch die Luft bewegt werden, schwere Körper in der Luft schwebend zu erhalten, und nach beliebigen Richtungen mit großer Geschwindigkeit zu bewegen.
Otto Lilienthal 1889 in: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst.

Hier hat er seine ersten Flugversuche gemacht, hat sich zusammen mit Bruder Gustav Schwingen aus Baumwolltüchern und Weidenruten gebastelt. Abenteuerlich, die storchenflügelähnlichen Tragflächen, mit denen Otto Lilienthal dann später in Berlin von Anhöhen heruntersprang, dokumentiert in den ersten Fotografien, so lange, bis es gelang – bis er durch die Luft glitt wie ein Vogel, bis zu 250 Meter weit.

Ja, nicht so leicht wird es sein, diesen Naturflügel nun auch mit allen seinen kraftsparenden Eigenschaften für den Menschen brauchbar auszuführen, und wohl noch weniger leicht mag es sein, den Wind, diesen unsteten Gesellen, der so gern die Früchte unseres Fleißes zerstört, mit körperlichen Flügeln, die uns nicht angeboren sind, zu meistern. Aber dennoch für möglich müssen wir es halten, dass uns die Forschung und die Erfahrung, die sich an Erfahrung reiht, jenem großen
Augenblick näher bringt, wo der erste frei fliegende Mensch, und sei es nur für wenige Sekunden, sich mit Hülfe von Flügeln von der Erde erhebt und jenen geschichtlichen Zeitpunkt herbeiführt, den wir bezeichnen müssen als den Anfang einer neuen Kulturepoche.
Otto Lilienthal 1889.

Otto Lilienthal war nicht der erste Mensch, der flog. Aber er gilt als der erste, der den Vogelflug, die Beschaffenheit von Flügeln, die physikalischen Gesetze von Auftrieb und Luftdruck systematisch erforschte. Bis heute werden Flugzeug-Tragflächen nach seinen Erkenntnissen gebaut.

Die DDR, sollte man meinen, müsste doch ein Problem mit dem Freiheitsdrang des Otto Lilienthal gehabt – und die Erinnerung an ihn eher unterdrückt haben. Tatsächlich verbot die SED-Führung Anfang der 80er Jahre das Drachenfliegen aus Angst vor Fluchtversuchen. Ungefähr zur selben Zeit aber errichtete der sozialistische Staat Lilienthal in Anklam ein zugegeben ziemlich hässliches Denkmal, eine Stele aus weißem Polyesterharz. Und fast ein Jahrzehnt zuvor, Anfang der 70er Jahre, brachte die DDR eine 5-Ostmark-Gedenkmünze zu Ehren des Flugpioniers in Umlauf. In Anklam erinnert außerdem ein Museum an ihn.

Das Fähigkeit zu fliegen würde dem Menschen Freiheit und den Völkern Frieden schenken, dachte Otto Lilienthal. Nicht weit von Anklam entfernt, in Peenemünde, werden die Nazis rund 40 Jahre nach Lilienthals Absturztod Rampen und Raketen bauen, die tausendfaches Sterben bringen.

Seine Geburtsstadt gilt heute als eine Hochburg der Rechtsextremen. Gut 1,6 Prozent der Menschen hier sind Ausländer. Trotzdem glauben 49 Prozent der Anklamer, ihr Ort müsste vor Überfremdung geschützt werden.