Baustellenbesuch bei der neuen EZB

Frankfurt verändert sich ja ständig, aber derzeit ganz besonders. An mehreren Stellen in und nahe der Innenstadt klaffen Großbaustellen. Eine davon ist im Ostend, auf dem Gelände der früheren Großmarkthalle wächst dort die neue Europäische Zentralbank himmelwärts. Die beiden Türme sind bereits seit einiger Zeit von weither zu sehen und verändern die Silhouette der Stadt. Inzwischen sind auch die ersten Stahlstreben eingebaut, die die Türme miteinander verbinden. Unglaubliche 43 bzw. 45 Stockwerke bekommen sie; gestern habe ich ungefähr 25 gezählt.

Man kann sich den Bau hier im Zeitraffer ansehen.

Die EZB bezieht nicht nur ihren imposanten Doppelturm, sondern auch das Gebäude, das aus den Überresten der ehemaligen Großmarkthalle entsteht. Die alte “Gemieskerch”, ein mehr als 200 Meter langer 1920er-Jahre-Bau des Architekten Martin Elsässer, die sich parallel zum Fluss erstreckte, hat lange ausgedient. Früher ging hier um 3 Uhr früh der Betrieb hier los, begann das Gewusel an den Marktständen von “M. Bunn & Söhne”, “S + L Fruchtimport”, “Harder Meiser & Co” unter den 15 Tonnengewölben. Ein Hauch davon war noch bei der großen Abschiedsparty vor einigen Jahren zu spüren. Danach zogen die Großhändler Richtung Norden davon, ins nagelneue “Frischezentrum” von Frankfurt-Kalbach, und die Gemüsekirche stand erstmal lange leer, während das Gezerre um Denkmalschutz und Elsässer-Erbe andauerte. Was am Ende dabei herauskam, wird bald gänzlich sichtbar werden, wenn nicht nur die Türme und das Atrium stehen, sondern sich auch der neue Eingangsbau seitlich in die sanierte Großmarkthalle hineinbohrt.

Ein Eckchen wird Erinnerungsstätte: Eine Rampe, die zum Keller der Großmarkthalle abfällt, soll an die 10.000 Menschen erinnern, die hier, in diesen Kellern, zusammengepfercht auf ihren Abtransport nach Lodz, Theresienstadt, Riga, Minsk, Majdanek und Auschwitz warteten.

“Liebe Sylvia, soeben bekommen wir mitgeteilt, dass wir Samstagabend reisefertig sein müssen”, schrieb die 78jährige Rosa Natt-Fuchs. “Sonntag früh geht es fort. Übernachten im Rechneigraben und Montag ab nach Theresienstadt. Ich bin noch ganz schwindelig und durcheinander. Ein trauriges Schicksal und die Trennung von Euch und den Jungen fällt mir schlimmer wie alles. So wenig wie möglich mitnehmen, Rucksack, Koffer und Brotbeutel … so ein Lebensende ohne Verschulden. Ich habe meine Pflicht nur getan …”