Die Zeiträume werden größer.
Ein Jahr? Das war einmal ein schier unüberschaubarer Zeitrahmen. Völlig abwegig, sich am Anfang eines Jahres Gedanken über das nächste zu machen. Pläne reichten im Frühjahr kaum weiter als bis in den Sommer, und das galt keineswegs nur in unbeschwerten Zeiten. Ende der 90er war das Denken monatelang nur bis zur nächsten Woche zu ertragen, und schließlich, für Wochen, gerade mal bis zum nächsten Morgen.
Jetzt erwische ich mich immer öfter beim Denken in Zehn-Jahres-Schritten. Manchmal auch fünfzehn oder noch mehr. Hin und wieder, ich gestehe es, rechne ich mir sogar die Zahl der Jahre bis zur Rente aus. Aber das ändert sich ja dieser Tage ständig.
Es hat nicht nur mit dieser Geisterbahn zu tun, in der man uns schon längst nicht mehr mit einäugigen Buckligen oder Blutbefleckten ohne Kopf erschreckt, sondern, indem man uns mit Rufen wie “Zusammenbruch der sozialen Sicherungssysteme!” oder “Kostenexplosion im Gesundheitswesen!” oder “Vollversteuerung der Rente!” unter Dauerbeschuss genommen hat. Nein – es muss auch was mit dem Älterwerden zu tun haben, dass sich neben dem Bindegewebe auch die Zeithorizonte weiten. Es muss damit zusammenhängen, dass sich da mit fortschreitender Zeit auch immer mehr Vergangenheit stapelt.
In zehn Jahren also… wo werde ich sein? Noch im gleichen Beruf tätig? Vermutlich, ja, wenn man mich lässt. Was anständiges anderes hab ich ja nicht gelernt. Noch im gleichen Job? Schwer vorstellbar. Was wird das überhaupt für ein Job sein, in zehn, in fünfzehn Jahren? Mit meinem jetzigen wird er wohl kaum noch Ähnlichkeit haben. Online-Redakteurin, das ist im Jahr 2020 wahrscheinlich nicht mehr als eine Art menschliche Schnittstelle. Obwohl: Das kommt mir jetzt schon sehr bekannt vor.
Eins steht fest: Deutlich über die 50 wird sie dann sein, die menschliche Schnittstelle. Und noch zwölf vierzehn Jahre bis zur Rente. Die dürften dann wie im Flug vergehen.
Danke dir für diesen wunderbaren Eintrag. Man könnte meinen, es seien meine Gedanken ;-)
so so … “mit dem Älterwerden” ;o) … aber ich verstehe durchaus, was Du meinst. Ich bin allerdings im Moment dazu übergangen möglichst nur von Tag zu Tag zu denken. Im Grunde ist da auch gesünder. Was soll man sich jetzt schon Sorgen machen um einen Zeitraum, von dem man nicht mal sicher weiß, ob man ihn noch erleben wird oder was sich bis dahin alles geändert oder nicht geändert haben wird.
@Liisa: Aber wenn man Pech hat, erlebt man diesen Zeitraum womöglich doch – was dann? ;)
Tja, Georg: Das wird dann wohl am Alter liegen… ;)
Das Gefühl für Zeit und Lebensabschnitte. Es kommt mir vor, als würde sich die Aufgabe nicht ändern: Im Jetzt zu leben. Nur das, was mich davon abhält, ändert sich: In der Jugend die Ungeduld, dass endlich kommen möge, was ich mir für mich denke – und im Alter die sich verkürzende zeitliche Perspektive und die sich verwischende, sich über Gebühr streckende Erinnerung. Und am Scheitelpunkt, in der Mitte des Lebens? Da ist es die Gewissheit, dass dieser Punkt nicht bleibt, genau so nur ein Moment bleibt, etwas Vergehendes. Und die Schwerelosigkeit am toten Punkt, am Ende ist sie bedrohlich… und eine Ahnung der menschlichen Schnittstelle als Körpergefühl. Aber warum denn? Auch die, die mich verplanen, verlieren sich, wenn sie nicht an der Aufgabe und der Lust wachsen, diesen Moment jetzt wahr zu machen, in dem ich ihn wahr nehme. Genau jetzt. Ich trinke jetzt einen Kaffee und sage Dank für diesen Eintrag.
Und ich sag danke für deinen Kommentar.
…gerade bin ich – wie immer durch Zufall – hier angekommen und hab mich vor die Pinnwand gestellt…bin neugierig und sag erst mal Grüß dich! Ich lasse einen lieben Gruß da und komme sicher wieder :-)Janna