Zwischen den unvergessenen Jahren 1991 und 2002 war mein Zuhause ein ehemaliger Bauernhof in einem Fachwerkstädtchen im Taunus – in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Gebäude, das einst ein Wohnhaus von imposanter Größe gewesen war. Zu meiner Zeit wurde es längst als Geschäftshaus mit Laden im Erdgeschoss und Lagerräumen in den oberen Stockwerken genutzt – die Lage günstig, die Räumlichkeiten üppig – und die Besitzer vermögend.
Es hieß, dass Haus habe früher einer jüdischen Familie gehört. Es hieß, die jetzigen Besitzer hätten es irgendwann “übernommen”. Es hieß, der Verbleib der eigentlichen Eigentümer sei unbekannt.
Den Namen allerdings, den kannten wir – die Vorbesitzerin unseres Hauses hatte ihn uns hinterlassen, bevor sie sich an einem Ostersonntag mit 98 Jahren an einen Ort begab, wo es weder Krückstöcke noch Kriege gibt, sondern ewiges Licht und nie versiegende Rotweinquellen. Löwenstein, so hätten sie geheißen, die früheren Nachbarn. Was mit ihnen geschehen war, das wollte oder konnte sie uns nicht sagen.
Irgendwann einmal stöberte ich halbherzig im Stadtarchiv nach dem Namen – ohne Ergebnis. Später recherchierte ich für eine Artikelreihe zur Stadtgeschichte – aber der Name Löwenstein tauchte nicht auf. Ich vergaß ihn fast.
Bis heute. Dank Lila, die darauf aufmerksam macht, dass die Gedenkstätte Yad Vashem eine Opferdatenbank online verfügbar gemacht hat, kam heute auch ein Vorname dazu: Ruth. Ruth Löwenstein.
Und so weiß ich nun, dass Ruth Löwenstein 1923 geboren und 1943 in Auschwitz ermordet wurde. Mit zwanzig Jahren.
Es fällt manchmal schwer daran zu glauben, dass das ‘Gute’ sich durchsetzen wird. Danke für solche Recherchen, die mich auf ganz persönliche, anrührende und greifbare Art daran erinnern, wofür bzw. wogegen ich mich engagiere. Liebe Grüße!