Den Vorwurf einseitiger Berichterstattung hört keine Redaktion gerne. (Mit Ausnahme vielleicht jener Kollegen, die jounalistische Ethik eh für verzichtbar halten, solange sich nur das Blatt gut verkauft. Wenn ichs recht bedenke, gibt es die ja auch unter Bloggern. “Ich darf sagen, was ich denke” ist da oberste Maxime – egal, wie dümmlich ein Klischee, wie gefährlich ein Vorurteil, wie verletzend ein Witz auch sein mag. Solange nur die Besucherzahlen stimmen. Aber ich schweife ab.)
Den Schuh, mitunter recht einseitig über den Nahost-Konflikt zu berichten, wollten sich die Nachrichten- und die Politikredaktion in der heutigen Mittagskonferenz jedenfalls nicht gerne anziehen.
Zu israelkritisch auf der einen, zu palästinenserfreundlich auf der anderen Seite, so lautete der Vorwurf, teilweise belegt anhand von Beispielen. Und während die Herren Redakteure, die ihren Job vom warmen Schreibtisch aus mit Blick auf die Frankfurter Skyline erledigen, diesen Eindruck eher zum Wahrnehmungsproblem deklarierten, machte sich die Nahost-Korrespondentin die Mühe, von ihrer Arbeit in der Westbank, in Tel Aviv, Jerusalem und Gaza zu erzählen: Von den Schwierigkeiten der Informationsbeschaffung, von sich widersprechenden Stimmen und Stimmungen in der israelischen Regierung, in der Armee und in der Öffentlichkeit, und von einem Zaun, der als menschenverachtendes Bauwerk und als schützendes Bollwerk betrachtet werden kann – je nachdem, auf welcher Seite man sich aufhält. Sie erzählte davon, wie Sprachbarrieren in Zeiten knapper Kassen zu Ungleichbehandlung führen können – denn Übersetzungen aus dem Palästinensischen sind nun mal teurer als aus dem Hebräischen. Und sie sprach von einer Erkenntnis, die sie bei der Arbeit am wichtigsten Brennpunkt des Weltgeschehens auf Schritt und Tritt begleitet: Opfer gibt es auf beiden Seiten. Täter aber auch.
7. Mai 2004