Unterm Pflaster der Strand …

Baustelle des Historischen Museums

Baustelle des Historischen Museums

Ein paar Mal schon bin ich mit der Kamera um die derzeit drittgrößte Baustelle in Frankfurt herumgeschlichen – auf der Suche nach dem Motiv, von dem alle reden: Die mehr als 800 Jahre alte Hafenmauer, die bei den Erdarbeiten am Frankfurter Römerberg zum Vorschein gekommen ist. Die Bauarbeiter, die ich frage, schicken mich rund ums Gelände, einer zeigt mir schließlich ein Schlupfloch im Bauzaun …

Seit der 70er-Jahre-Klotz des Historischen Museums unter viel Krach und Staubwolken niedergerissen wurde, wird auf dem frei gewordenen Areal hinter der Nikolaikirche gebaggert, was das Zeug hält. So tief hat man hier lange nicht gegraben – und so kommt es, dass dabei unerwartet ein Stück uraltes Frankfurt zutage tritt.

Abriss des Historischen Museums

Abriss des Historischen Museums

Mit archäologisch bedeutenden Funden hatte man ja gerechnet, denn man weiß, dass hier am Fluss die im 9. Jahrhundert errichtete königliche Pfalz stand. Unmittelbar vor deren Südmauer stoßen die Bauarbeiter aber auf eine Überraschung: Vier Meter unter der Erde taucht eine Hafenmauer aus dem 12. Jahrhundert auf, die die Archäologen nicht auf dem Plan hatten. Sie ist auf gut 25 Metern Länge erhalten, obenauf liegt ein Eichenbalken – ein hölzerner Mauerabschluss, der immer wieder erneuert werden musste, weil anlandende Schiffe ihm zusetzten. Dieser letzte Balken soll aus der Zeit zwischen 1303 und 1314 stammen. Direkt an die Mauer schließt ein aus Kalkstein gepflasterter, zwei Meter breiter Weg an – ein sicheres Zeichen, dass dieser Hafen den hochgestellten Schiffspassagieren vorbehalten war, die zur Königswahl oder zur Messe nach Frankfurt anreisten. Das gemeine Volk wurde an den Ufern des Mains auf gestampften Lehmboden empfangen. Die Entdeckung macht auch anschaulich, wie breit der Fluss hier einmal gewesen sein muss; heute liegen geschätzt 50 Meter zwischen dieser alten Hafenbefestigung und dem Ufer.

Die Hafenmauer sorgt für Gesprächsstoff in der Stadt, für Glückseligkeit bei Historikern und Archäologen – und dafür, dass die Neubaupläne zumindest für diesen Bereich über Bord geworfen werden. Eigentlich sollten hier die Toilettenräume für das neue Historische Museum entstehen. Statt Klos werden wir hier künftig ein erstaunlich gut erhaltenes Relikt aus dem 12. Jahrhundert besuchen dürfen.

Wieder zugeschüttet: Die Hafenmauer ruht (hoffentlich) sicher unter Sand

Aber das dauert noch. Ich will die Mauer jetzt sehen. Durch die Lücke im Zaun komme ich aufs Gelände, suche mit den Augen die Stelle ab, die mir ein Bauarbeiter gewiesen hat – aber ich kann nichts entdecken, das wie eine alte Mauer aussieht. Darum klopfe ich an einem der Container an und frage einen Mann am Schreibtisch. “Die Mauer? Doch doch, die ist da drüben. Aber sehen können Sie sie nicht. Wir haben sie wieder zugeschüttet. Das ist sicherer.”

Genauso haben es die Frankfurter irgendwann im 14. Jahrhundert gemacht. Wegen des Baus einer Stadtmauer schütteten sie die Hafenanlage zu. Nur diesem Umstand ist zu verdanken, dass sie unter der Erde jahrhundertelang überdauerte. Und da ruht sie nun wieder, hoffentlich gut geschützt, unter Tonnen von Sand, bis die Bagger abrücken. Ein eigenes Foto bekomme ich davon also heute nicht, aber zum Glück gibt es Wikimedia und Frank Behnsen, der die Hafenmauer rechtzeitig ablichten konnte und uns allen das Bild unter CC-Lizenz zur Verfügung stellt. Darauf sieht man im oberen Teil die Mauerreste der Königspfalz, darunter der gepflasterte Weg, begrenzt von der Hafenmauer mit dem aufliegenden Balken:

Archäologischer Fund am Römberberg: Hafenmauer aus dem 12. Jahrhundert

Da lacht des Archäologen Herz: Was für ein Fund unter dem abgerissenen Museumsgebäude! / Bild: Frank Behnsen, CC-Lizenz BY-SA-3.0