Ich bin Urheber! Und meine Frau ist auch Urheber!*

Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Keine Filmpreisverleihung mehr ohne flammendes Plädoyer für den Erhalt des Urheberrechts. 51 Autoren hier, 100 Urheber dort. Erst hielt ich den Titel der Kampagne – “Wir sind DIE Urheber” – für etwas anmaßend. Dann fiel mir auf: Vielleicht fehlt da nur was. Die ungekürzte Überschrift lautet vermutlich: “Wir sind die Urheber, die von ihrer Arbeit gut leben können”.

Ich glaube sofort, dass die meisten Promi-Autorinnen und -Autoren, Publizisten und Journalistinnen, die dort unterzeichnet haben, recht gut von ihrer Arbeit leben können. Leider gilt das für das Gros der Menschen, die geistige Werke schaffen, nicht. Das sollte es aber erst einmal, bevor man das aktuelle Urheberrecht zum Garanten für den Bestand der Kultur erklärt:

Das Urheberrecht ermöglicht, dass wir Künstler und Autoren von unserer Arbeit leben können.

Schön wär’s. Das Urheberrecht allein ermöglicht erstmal gar nichts, außer sich gut zu fühlen, weil man ein Werk geschaffen hat, das man sein eigen nennen darf. (Und ja, auch ich will, dass das so bleibt.) Vermutlich bin ich nicht die einzige, der beim Anblick der jährlichen Tantiemen-Abrechnung regelmäßig die Tränen kommen. Und die meisten Leute, die auf der unsicheren Basis freier Mitarbeit Zeitungen und Internetportale vollschreiben und bebildern, können von dem, was sie dafür kriegen, kaum leben. Das kann man erst, wenn andere bereit sind, genug dafür zu zahlen.

Es gilt, den Schutz des Urheberrechts zu stärken und den heutigen Bedingungen des schnellen und massenhaften Zugangs zu den Produkten geistiger Arbeit anzupassen.

Yo. Und weiter? Da kommen lauter kreative Menschen zusammen, und dieser nicht ganz brandneuen Erkenntnis folgt keine einzige ausformulierte Idee, wie man dieses Ziel erreichen könnte? Nicht mehr als ein beherztes “Beklaut uns nicht!”? Ist das wirklich das größte Problem, das die Urheber heute haben – dass eine Mehrheit ihrer Fans sie angeblich beklauen will?

Wenn ich, wie dieser Tage auf der re:publica, selbsterklärte Schützer des Urheberrechts über das Internet reden höre, diesen Wilden Westen, der von Teenies bevölkert ist, die den lieben langen Tag nichts anderes im Kopf haben als die neuesten Songs und den noch mal angelaufenen Film und natürlich sämtliche Tatort-Folgen zu saugen, dann kommt mir stets dieses eine, alles umschreibende Wort in den Sinn:

“Hä?”

Lebe ich auf einem anderen Stern? Oder ist das Internet, das ich benutze, ein anderes Internet als das, welches ihr benutzt?

Jaja. Klar gibt es Leute, die etwas umsonst wollen. Die gab’s schon immer. Früher nahmen sie Langspielplatten und Songs aus dem Radio auf Kassetten auf. Kann man nicht vergleichen? Stimmt, im vordigitalen Zeitalter war es mit deutlich mehr Aufwand verbunden als heute, sich ein Exemplar eines Buches, eines Musikstücks, eines Films illegal zu beschaffen. Aber nun leben wir halt im digitalen Zeitalter und brauchen auf die Phänomene, die es noch immer gibt (und immer geben wird), eben andere Antworten. “Beklaut uns nicht. Punkt.” ist jedenfalls keine Antwort.

Der Preis ist zu hoch!

Auf die Frage, wie illegale Downloads denn zuverlässig verhindert werden sollen, zuckte der Drehbuchautor Knut Boeser (Initiator des Tatort-Autoren-Briefs) auf der re:publica nur die Schultern. (Schlimmer noch: Als Bedenken gegen flächendeckende Überwachung geäußert wurden, verwies er lapidar darauf, dass ja eh immer mehr Leute Persönliches bei Facebook posten würden.) Und genau da liegt das Problem: Wer sich einfach nur auf das Anprangern von “Diebstahl geistigen Eigentums” beschränkt und nicht mehr zur Debatte beiträgt als die Forderung, das Kopieren um jeden Preis zu verhindern, sollte sich klarmachen, was er da in in der Konsequenz fordert. Damals, zur Kassetten-Zeit, überfiel uns manchmal der alberne Gedanke, dass irgendein fremder Erwachsener mal das Kinderzimmer inspizieren und die Kopien unserer Schätze finden könnte. Heute blühte uns eine permanente Kontrolle und Überwachung unserer digitalen Aktivitäten. Will das wirklich jemand?

Mit Kunst lässt sich im Netz Geld verdienen!

Ich glaube ohnehin nicht, dass diese “Kostenlos-Mentalität”, von der immer die Rede ist, das größte Problem ist. Der Blick auf meine Kontoauszüge der letzten zehn Jahre beweist mir vor allem eins: Niemals zuvor habe ich so viel Geld für Musik, Filme, Bücher und Software ausgegeben wie in dieser Zeit. Und mit jedem funktionierenden Dienst, mit jeder komfortabel zu nutzenden Plattform wird es mehr. Leider! :-/

Das zeigt vor allem: Mit Kunst lässt sich im Internet tatsächlich gut Geld verdienen. Es heißt leider (noch) nicht: Urheber können im Internet so viel Geld verdienen, dass sie davon leben können. Das Urheberrecht also stärken? Ja, bitte! Aber nicht, indem man die Schutzfristen verlängert oder das Netz überwacht, um ein paar pickligen Jungs auf die die Schliche zu kommen, die man dann richtig fett abstrafen kann. Sondern, indem man Urheber für ihre Arbeit ordentlich bezahlt.

Medienunternehmen: Beendet den Total-Buy-out

In der Welt, in der die meisten Urheber leben, gibt es nun mal ziemlich viele, die die geistige Arbeit ihrer Leute möglichst billig haben wollen – übrigens auch unter den Erstunterzeichnern der “Wir sind die Urheber”-Kampagne. Egal ob in festen Vertragsverhältnissen oder auf der Basis freier Mitarbeit: Überall kaufen Medienunternehmen den Urhebern sämtliche Werke zum Pauschalbetrag (sprich Gehalt bzw. Honorar) ab, inklusive sämtlicher nur denkbarer und auch sämtlicher jetzt-noch-nicht-aber-irgendwann-vielleicht-mal-denkbaren Nutzungsrechte, ohne sie an den künftigen Einnahmen aus diesen Werken angemessen zu beteiligen. Müssten sich die Urheber darüber nicht viel mehr aufregen als über illegale Downloads?

Gema: Steckt eure Mitglieder nicht in die Zwangsjacke!

Urheber können ihre Interessen von der Gema vertreten lassen. An sich eine schöne Sache. Ein Komponist verriet auf der re:publica, dass 40-50 Prozent seiner Einnahmen für Filmmusik im Fernsehbereich von der Gema kommen. Also ist die vielgescholtene Interessenvertretung doch für etwas gut? Ich kenne Musikerinnen und Musikern, die hochgradig genervt sind und sich in ihren Einnahmequellen beschnitten sehen, weil sie sich entscheiden müssen: Gema-Mitglied wird man nur mit Haut und Haaren, muss also die Vertretung für sämtliche geschaffenen Werke in ihre Hände legen. Einzelne Songs davon auszunehmen und z.B. frei und zum kostenlosen Download auf die eigene Website zu stellen, das erlaubt die Gema ihren Mitgliedern nicht ohne weiteres. Diese Form, über das (Achtung, ich sag’s jetzt!) eigene geistige Eigentum nicht mehr verfügen zu dürfen, stößt zumindest bei den Urhebern , die ich kenne, auf Kritik und Unverständnis.

Es ist leicht, auf die Gema zu schießen (und sie macht es noch leichter, wenn sie, wie auf der re:publica, ihre von vielen mit Spannung erwartete Teilnahme an einer Diskussionsrunde kurzfristig absagt). Im Prinzip, denke ich, ist eine starke Interessenvertretung für Urheber gut und richtig. Allerdings nur dann, wenn sie auf die Kritik ihrer Mitglieder hört und sich ändert.

Schutzfristen verkürzen!

Die Schutzfrist für ein Werk liegt derzeit bei 70 Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt des Todes des Urhebers. Die Einnahmen aus einem Werk kommen so auch Angehörigen zugute, falls der Urheber vorzeitig stirbt. Gut so. Aber warum muss das über zwei Generationen gehen? Warum reicht nicht eine Generation, also eine Schutzfrist von, sagen wir, 30 Jahren? (Noch besser natürlich wäre, Urheber schon zu Lebzeiten so zu bezahlen, dass sie bleibende Werte zu vererben haben, die nicht irgendwann ihre Gütigkeit verlieren. Aber ich wiederhole mich.)

Urheberrechte erlöschen, und nur, weil das so ist, konnte ich Nach 100 Jahren machen, eine Website über die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff. Zum selben Thema ist seit heute ist ein interaktives eBook von mir in Apples iBook-Store. Auch dieses kostenlose eBook gibt es nur, weil das Urheberrecht nicht ewig gilt. Viele Texte und Bilder in dem Buch sind aufgrund ihres Alters “gemeinfrei”, sie gehören uns allen. Andere Bilder konnte ich für das Buch nur verwenden, weil ihre Urheber sie unter einer Open-Content-Lizenz (Creative Commons) veröffentlicht haben. All das trägt dazu bei, Kultur zu bewahren, zu verbreiten, zu einem größeren Publikum zu verhelfen. Je länger Schutzfristen andauern, umso größer ist der Verlust für die Allgemeinheit – in vielen Fällen weit größer als der Nutzen für die Erben.

Da draußen werden viele Ideen diskutiert, wie man die Interessen von Urhebern und Kulturkonsumenten unter einen Hut bringen kann. Ich würde mir wünschen, dass die Unterzeichner der Kampagne sich rege und konstruktiv daran beteiligen. Der Text, den sie unterschrieben haben, ist von einem Beitrag zur dieser Debatte leider weit entfernt.

Wer nur mit dem Fuß aufstampft, kommt keinen Schritt weiter.

*UrheberIN muss es heißen, ich weiß. Aber dann wär der Gag flöten.

4 Kommentare

  1. Urheberrechtserben sind (bereits heute) nicht unbedingt schlechter gestellt als Erben von materiellem Besitz wie, sagen wir, einer Immobilie. Im Gegensatz zu letzteren sind mit dem Erbe von Urheberrechten keinerlei Folgekosten oder Pflichten verbunden. Würden Hauserben es genauso machen und z.B. keinen Cent in den Werterhalt ihres Erbes investieren, hätte das Haus nach 70 Jahren wohl einen ähnlich dramatischen Wertverlust wie ein abgelaufenes Urheberrecht. Oder anders forumiert: Wenn ein geerbtes Urheberrecht ebenso behandelt werden soll wie ein geerbetes Haus oder Grundstück, sollten damit dann nicht auch vergleichbare Verpflichtungen verbunden sein?

    Das ist aber nebensächlich. Viel wesentlicher, jedenfalls aus meiner Sicht: Wer Kultur dauerhaft privatisieren will (und nichts anderes wäre eine ewige Schutzfrist), nimmt in Kauf, dass eine Gesellschaft kulturell verarmt.

    Kultur ist kein privates Gut. Kultur ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens, sie gehört zum Wesen einer Gesellschaft. Wollen wir ernsthaft, dass die Entscheidungsbefugnis über jedes Stück Kultur, das entsteht (übrigens oft genug aus der Inspiration durch Werke vorangegangener Urheber) auf Dauer in der Hand von Einzelnen liegt? Und dass in der Folge nur jene Kultur weiterhin verlegt, auf die Bühne gebracht, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, mit der sich Geld verdienen lässt, während alles, was nicht dem Mainstream entspricht (und bei dem Urheberrechtserben nur draufzahlten, würden sie es veröffentlichen), auf Ewigkeit in die verschlossene Kammer zu den vielen anderen verwaisten Werken geschoben wird, die der Welt nicht mehr zur Verfügung stehen?

    Ganze Bibliotheken voller Geschichtsbücher, Chroniken, Zeitzeugenberichten würden verschwinden, weil kein Verlag es auf sich nähme, alle Rechte für die darin verwendeten Jahrhunderte alten Texte und Abbildungen nicht nur zu klären, sondern auch für deren Verwendung zu bezahlen. Klassiker würden nicht mehr verlegt – es sei denn, Verlage könnten sicher sein, dass sie sich verkaufen wie geschnitten Brot.

    Ewige Schutzfrist würde bedeuten: Das Interesse einzelner Erben ist uns wichtiger als unser gemeinsames kulturelles Erbe. Gleichbehandlung von materiellem und geistigem Erbe würde bedeuten: Wenn Kultur der Allgemeinheit nicht zur Verfügung steht, ist das genauso gut zu verschmerzen, wie wenn ein Haus, ein Grundstück, eine Fabrik der Allgemeinheit nicht zur Verfügung steht. Ist es das tatsächlich?

    Wer Kultur schafft, soll dafür angemessen bezahlt werden. Das Vermögen, das daraus erwächst, kann sie oder er vererben, ohne dass dieses Besitzrecht “ausläuft”. Leider ist das graue Theorie: Die Schutzfrist über den Tod hinaus hat nur deshalb eine Berechtigung, weil Urheber in den meisten Fällen so mies bezahlt werden, dass sie am Ende nix zu vererben haben. Ändern wir das, brauchen wir auch keine Schutzfrist, die einem einzelnen Erben unter Umständen ein paar Cent bringt (oder auch nicht) – für den Preis, dass Kultur der Allgemeinheit dauerhaft entzogen wird. Ich jedenfalls empfinde diesen Preis als zu hoch.

  2. Tweet gelöscht, ich schreib es lieber hier rein.

    Mo, das Argument in Kommentar 2 passt zwar für Omas Häuschen im Bayerischen oder Pfälzer Wald, aber nicht für Immobilien in München oder Düsseldorf, wo die Kosten für die Sanierung locker durch die Wertsteigerung kompensiert werden. Und die großen Vermögen sind es doch, auf die es bei irgendwelchen Gerechtigkeitsdebatten am meisten ankommt. Nicht auf das kleinliche Gezänk zwischen Unter- und Mittelschicht.

  3. Hallo Irene, das mag sein (wobei: Ohne erhebliche Vorlage an Investition und natürlich Steuern geht’s wohl auch in München und Düsseldorf nicht). Aber mir geht es hier nicht um die Gerechtigkeitsdebatte – das ist, wie oben geschrieben, allenfalls ein Randaspekt. Mir geht es vor allem darum, dass uns ein unwiederbringlicher Verlust drohte, würden wir keinen Unterschied mehr machen zwischen geistigem und materiellem Erbe.

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