Alte Liebe VII

Worum es geht.
Was zuvor geschah.

Luise will mehr über Levin wissen. In seinem Brief vom 1. November 1842 kommt er der Aufforderung nach und beschreibt seine Charaktereigenschaften. Auch die unangenehmen Umstände seiner Erziehertätigkeit in Ellingen sind wieder Thema. Und dann ist da der immer dringlicher werdende Wunsch, die ferne Angebete wenigstens bildlich vor sich zu sehen …

(Ich) bitte … Sie innigst und flehentlich, mir Ihr Porträt zu schicken. Wollen Sie es nicht? Oh, seien Sie so gut; wenn Sie befehlen, bringt es Ihnen die umgehende Post wieder!

Nun soll ich Ihnen, wie Sie mir schreiben, viel von mir selbst erzählen. Ich bin weder so klug, noch so sehr Dichter, noch so gut, wie ich es als Sohn einer solchen Mutter sein müsste. Einst war ich so gut, glaube ich, als Knabe; aber das Unglück, der Mangel an passender Stellung zur Entwicklung eines Charakters, da ich auf Gymnasien und Universitäten immer mit Durchschnittsmenschen habe umgehen müssen, überhaupt das Leben, in welches ein Poet gehört, wie ein gebildeter Mensch auf einen Viehmarkt, haben mir viel wieder genommen.

Ich bin stolz, aristokratisch verschlossen, sehr bequem, aber gemütlich, wenn ich näher bekannt geworden. Dabei habe ich Anlage, ein Tyrann zu werden, und eine Frau muss mich wenigstens alle 24 Stunden einmal tüchtig mit dem Pantoffel auf den Kopf schlagen, wenn ich liebenswürdig bleiben soll. Überhaupt will der Mensch etwas malträtiert sein, und darin liegt das Geheimnis, sich lange jemandes Liebe zu erhalten. Haben Sie genug oder soll ich weiter beichten? … Also Ihr Bild bekomme ich? Ich schicke Ihnen dann meines auch. …

Ich schreibe jetzt einen Roman, darin sollen Sie die Heldin werden. … Ich werde jetzt wieder fleißig, so gut ich’s kann, da ich fast nie ungestört bin und mein Zimmer mit meinen Prinzen teile. Dass ich, seit je daran gewöhnt, ungestört für mich in den stillen Räumen des Gedankens zu wohnen, dies ertrage, das ist mir ein Unerklärliches. Außerdem ist meine Stellung sehr unangenehm: ein Familienleben existiert nicht hier im Hause, und wenn es existierte, so würde niemand auf den Gedanken kommen, dass der Erzieher der Söhne dahin gehöre. Der Fürst ist ein Mann voll Anlagen, aber roh, Renommist, Materialist und allem, was ihn an Geist mahnen könnte, entschieden abgeneigt. Da er seine Beamten sehr schnöde behandelt und sich auf der anderen Seite mit ihnen gemein macht, auch, wie es den Anschein hat, dies Betragen nachgrade gegen mich zeigen wird, der ihm wahrscheinlich als Beobachter seiner Schwächen sehr unbequem ist, so werde ich vielleicht einmal brechen müssen. Für den Winter schleppt er uns alle, seine erwachsene Tochter sogar, zu seiner Mätresse nach Mondsee. Und die Fürstin hat kaum die Augen geschlossen! … Sie sehen, wenn Sie noch meine völlige Einsamkeit dazu rechnen, ich bin hier nicht auf Rosen gebettet, so wenig wie nur irgend ein Kaiser von Mexiko.

Nun leben Sie wohl Luise, wenn Sie diese Zeilen gelesen haben, so spielen Sie mir ein Lied in lauter Molltönen vor; meine Seele dürstet nach Musik. Ich habe Sie herzlich lieb, Luise, weiß Gott! Wenn wir zusammen wären, ging’s uns wahrscheinlich allen beiden besser und an dem dunklen Nachthimmel unserer Melancholie würden wir gewiss die schönsten Raketen aus dem Brilliantfeuer der Heiterkeit aufleuchten lassen.

Fortsetzung …

Der Briefwechsel von Levin Schücking und Luise von Gall – jetzt auch gebündelt auf einer eigenen Seite!

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