Zurück in die Zukunft

Entschuldigung, wenn hier derzeit wenig los ist. Ich vergrabe mich gerade in Details über Straßenbau und Postwesen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im ländlichen Westfalen. Ich sach nur: Rückständigkeit, dein Name ist Paderborn! Zwischendurch suche ich nach ollen Sachen; am Wochenende unterlag ich knapp bei der Versteigerung eines Halbjahrsgangsbandes des Westfälischen Merkur, Januar bis Juni 1838, trauerte drei Tage und stellte dann erleichtert fest: Das, was ich suchte, war gar nicht drin, sondern erschien erst im August desselben Jahres. Glück gehabt!

Ich weiß gar nicht, warum ich so lange keinen Fuß mehr in die Frankfurter Uniblibliothek gesetzt habe: Das verjüngt ungemein! Ich brauche dann noch Ihren Studentenausweis, meinte der freundliche Herr an der Anmeldung – und guckte prüfend (!), als ich antwortete, mein Studium sei zwölf Jahre her. Und was sich da alles verändert hat! Ok, das taschenprüfende Faktotum am Eingang zum Lesesaal scheint noch ein Restbestand von damals, aber sonst… jede Menge PC-Arbeitsplätze und Internetzugänge auf mehreren Etagen, eine loungige Cafeteria in der Halle, endlich reichlich abschließbare Spinde im Keller, und sogar der verknitterte Zettelkatalog ist digitalisiert. Überhaupt: Recherche im Bestand, Bestellung der Bücher – geht alles online. Nur zum Abholen muss man noch an die “Theke” (das hieß damals auch schon so). Und der Ausweis, den ich schließlich auch ohne Studentinnenstatus bekam, ist auch nicht mehr von Pappe.

Stör ich?

Bis dahin charmanten Aufenthalt im Netz und viel Spaß bei der Recherche und beim Schreiben, wünscht mir der Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einer Behörde, nachdem er mich auf kommende Woche vertröstet hat. Wie der Weiterleitungs-Historie zu entnehmen ist, bummelte meine Anfrage durch drei Abteilungen, bis schließlich Freitagmittag war – und das ist ja quasi schon mitten im Wochenende. Da geht nix mehr. Ich hoffe, dass Sie Verständnis dafür haben.

Es geht um nicht weniger als um eine offizielle Begründung für das Sperren von Webseiten im Zusammenhang mit dem so genannten Amokläufer von Emsdetten. Ich scheine mit der Frage nach der rechtlichen Grundlage den Ermittlern wertvolle Zeit zu stehlen. Die Zeit vor dem Feierabend reicht immerhin noch, um mir mitzuteilen, dass die Kollegen der Fachdienststelle zur Zeit mit der Abarbeitung des aktuellen Falles alle Hände voll zu tun haben. Inzwischen habe ich eine Auskunft anderweitig bekommen – vom Oberstaatsanwalt, über das gute alte Telefon.

Nur die oben zitierte Grußformel, die lässt mir irgendwie keine Ruhe. Ich kann mir nicht helfen – ich lese da:
Bis dahn viel Vergnügen beim Durchwaten dieses Dreck-Dingens namens Internet, in dem sich nur völlig durchgeknallte bloggende Amokläufer wohl fühlen können, man sollte das alles verbieten! Aber so war das ganz ganz bestimmt nicht gemeint.

Unterdrückte Bedürfnisse

Irgendwann während der äußerst vergnüglichen zwei Stunden gestern Abend meinte Edda, wir sollten ab und zu das Kind in uns rauslassen. Uns zum Beispiel daran erinnern, wie wir missmutig hinter Mama hergetrottet sind und “Ich will aber nicht in den Kindergarten!” plärrten. Habe das an der Ampel auf dem Weg zur Arbeit heute morgen kurz in Erwägung gezogen, aber verworfen. Mein Chef stand neben mir.

(So ganz erwachsen wird man ja bekanntlich nie. Nicht, so lange wir uns an der Supermarktkasse beim Griff in die Süßigkeiten-Auslage noch schuldbewusst umschauen, als würde uns gleich jemand auf die Finger hauen. Aber immerhin werfen wir uns nicht mehr auf den Boden.)

Alte Bücher

Vielleicht liest der eine oder die andere an alten Büchern Interessierte hier mit, daher ein Zitat aus einer Mail, die ich dieser Tage vom Inhaber eines Berliner Antiquariats bekam:

Das, was Sie im Internet vorfinden, ist ja nur ein Teil des Antiquariatsmarktes (und, wie ich leider sagen muß, nicht der beste). Zwar veröffentlichen auch viele sehr kompetente Kollegen Ihre Bestände auf verschiedenen Plattformen, aber die wertvollen oder seltenen Titel werden zum Teil auf anderem Wege verkauft. Ich z.B. verwalte hier derzeit ca. 500 Titel aus dem 16. bis 19. Jahrhundert, online biete ich aber nur etwa 10% dieser Bücher an. Das Internet führt zwar dazu, daß Sie solch eine Ausgabe wie die von Ihnen erstandene der “Briefe” für ein (meiner Meinung nach viel zu) geringes Geld kaufen können, die seltenen und gesuchten Titel kommen aber entweder gar nicht zum Vorschein oder sind sehr schnell vergriffen oder entsprechend teuer.

Unfähige Politiker sofort verbieten!

Schon wieder das altbekannte Killer-Spiel: Direkt im Anschluss an einen jungen Menschen laufen Politiker Amok. Sparen jahrelang an der Betreuung für Schüler, lassen Klassenräume verkommen, Stellen unbesetzt, überforderte Lehrer im Stich und zeigen dann mit dem Finger auf Counterstrike und Internet und all das Teufelszeug.

Wird Zeit, dass die sich öfter mal vor den Rechner setzen und eine Weile SimPolitics spielen, bevor sie auf das echte Leben losgelassen werden.

Identifiziert

Die Nachrichtenagentur Associated Press verbreitet soeben Fotos von der Website des Mannes, der heute in einer Schule im Münsterland Amok gelaufen, mehrere Menschen angeschossen und sich offenbar anschließend selbst getötet hat. Am unteren Rand des Bildes ist die Internetadresse zu erkennen; die Seite ist inzwischen gesperrt. Und bei Denic kann derweil jeder, der will, die vollständige Adresse des mutmaßlichen Amokläufers nachlesen.
Update: Die Printausgabe der FR vom 21.11. hat im Text den Namen des Mannes brav abgekürzt. Und das Foto mitsamt Internetadresse veröffentlicht. Schwierige Sache, das mit dem Inter-dings.