Endstation

Liebe Sylvia, soeben bekommen wir mitgeteilt, dass wir Samstagabend reisefertig sein müssen und Sonntag früh geht es fort. … Ich bin noch ganz schwindelig und durcheinander. Ein trauriges Schicksal und die Trennung von Euch und den Jungen fällt mir schlimmer wie alles. So wenig wie möglich mitnehmen, Rucksack, Koffer und Brotbeutel … So ein Lebensende ohne Verschulden. Ich habe meine Pflicht nur getan; ich wollte, der Schlag würde mich treffen. Euch wünsche ich Frieden und Glück und alles Gute. Ob ich Nachricht geben kann, weiß ich nicht. Habt Dank für alles Gute, was Ihr mir getan habt und behaltet mir gutes Andenken. Eure unglückliche Mutter und Oma.*
Für mehr als 11.000 Jüdinnen und Juden war sie die letzte Etappe auf dem Weg in den Tod: die Großmarkthalle im Frankfurter Ostend, dem jüdischen Viertel der Stadt. Von 1941 bis 1943 diente sie als Sammellager für jene, die deportiert werden sollten. Dort, wo sich sonst Obst und Gemüse aus aller Welt stapelte, trieben Heinrich Baab und andere Frankfurter Nazis ihre Opfer wie Vieh durch die verschiedenen Stationen bis zur Verladung in die Waggons – und das mit deutscher Gründlichkeit.
In der Frankfurter Großmarkthalle gehen demnächst die Lichter aus. Die Händler ziehen um in ein “Frischezentrum” im Norden der Stadt. Die Halle, ein 75 Jahre alter, langgestreckter Bau, bleibt: Sie steht unter Denkmalschutz. Heute wurde Abschied gefeiert.